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Die neue Burgerlichkeit

SUPERFOOD Vegan ist weiter Hype. Doch auf einmal ist schnell gar kein Widerspruch mehr zu gesund. Fleischlose Fast-Food-Läden sind deshalb schwer angesagt. Ein Spaziergang zu den Wurzeln des veganen Burgers – und ihren Sprossen

Vegane Burger gibt’s bei …

■ Pêle-Mêle, Preis: 6,50 Euro, www.pele-mele-berlin.de

■ Glück to go, Preis: 4,50–5,90 Euro, www.glueck-to-go.de

■ Sun Day Burgers, Preis: 4,50 Euro, www.sundayburgers.com

■ Rootz, Preis: 4,20–4,80 Euro, www.rootz-berlin.de

■ Yellow Sunshine, Preis: 4,20–4,80 Euro, www.yellow-sunshine.com

■ Yoyo Foodworld, Preis: 3,30–4,30 Euro, www.yoyofoodworld.de

■ Vego Good Food, Preis: 3,40–4,60 Euro, www.vego-foodworld.de

VON ALEXA VON BUSSE

Die Achse des Burgers verläuft mitten durch Kreuzberg und Neukölln. Die Achse des veganen Burgers, wohlgemerkt. Hier, wo sich die Jungen, Alternativen und Multikultis vorerst gesammelt haben, herrscht bester Nährboden für den Trend der veganen „Burgerlichkeit“.

Frank Peters hat diesen Trend erkannt. Seit 2010 bietet er schräg gegenüber der Marheinike Markthalle „Glück to go“ an – frisches, fleischloses Fast Food. Damit gehört der aus seinem ersten Leben als Barry Black bekannte Berufsgitarrist in der vegetarisch-veganen Burgerszene schon zum alten Eisen.

Dienstags beschlagen im kleinen Imbiss die Scheiben, wenn die „Klasse 1a“ einfällt – so nennt die Angestellte Jenny ihre studentischen Stammgäste. Zwischen Gründerzeitfliesen, skandinavischen Holzwänden und afrikanischen Tierfotos brät Jenny mit viel Hingabe Patties – so heißen die veganen Bratlinge aus Soja, Seitan oder Süßkartoffeln zwischen den Brötchenhälften –, und frittiert Pommes. Keine gewöhnlichen Fritten, nein, ayurvedische.

Peters entdeckte das Geheimnis 2008 auf seiner ersten Indienreise: ayurvedisches Masala, eine typisch indische Gewürzmischung, die den Stoffwechsel ankurbelt und so den Körper schneller von der fettigen Kartoffellast befreien soll.

Die Idee von Wellfood

Indien verändert Frank Peters. Während der gesamten Reise gibt es kein Fleisch – und es fehlt ihm auch nicht. Zurück in Berlin will er einfach nicht gleich wieder damit anfangen. Und dabei bleibt es. Schließlich übersetzt der Vegetarier seine eigene Metarmorphose in den kleinen, hellen Gastraum in Weiß-Grün-Pink. Das passt nicht zur bis dato noch eher punkigen Alternativszene der Veganer, passt aber zu Peters und seiner Idee von Wellfood.

Mit einem Koch tüftelt er an speziellen Gewürzmischungen, ernährt sich einen Monat lang ausschließlich von seinen Produkten. Vier Kilo nimmt er ab und denkt sich: Was mir guttut, tut auch anderen gut. Eine Ideologie wolle er seinen Kunden aber nicht aufdrängen und fügt hinzu: „Wir sind keine Erziehungsberechtigten – die Leute sollen essen, was sie wollen.“ Nur müsse er dafür eben keine Tiere töten, es gehe ja auch ohne.

Auch wenn nicht überall eine Ideologie dahintersteckt: Dass weniger Fleischkonsum den Folgen von Massentierhaltung entgegenwirken kann, verstehen offensichtlich immer mehr Menschen. Und die Unternehmer unter ihnen, dass sich damit Geld verdienen lässt.

Dogma gibt’s anderswo. Dafür gibt’s im „Yellow Sunshine“ 13 vegetarische und 10 vegane Burger

Besonders vegane Gastronomiebetriebe legten zuletzt deutlich zu – laut Vegetarierbund Vebu um 32 Prozent in 2013 und 23 Prozent in 2014. Und zunehmend verarbeiten diese rein biologische Zutaten. Dazu gehören auch das „Pêle-Mêle“, ein veganes Café hinterm Neuköllner Stadtbad, das einen Burger mit Grünkernfrikadelle kredenzt. Und der kleine Stand von Lilith Rudhart in der Markthalle Neun, das „Sun Day Burgers“.

Lilith Rudhart füllt das Bild der typischen Hauptstadtveganerin aus. Sehr schlank und hübsch, gelbe Sterne auf der grauen Strickmütze, die Stimme liebevoll, die Sprache bedacht. Ihr Stand ist dekoriert mit bunten Lampen, Dosen und Blümchen, unter den pinken Schildern „vegan feels good“ baumeln frische Äpfel.

Von den Angebotstafeln lacht die „Happy Cow“ herunter, das Maskottchen des gleichnamigen Restaurantguides für Vegetarier und Veganer. An einem der Pfeiler hängt ein Korb, aus dem große Aloe-Vera-Stangen ragen.

Rudhart lebt nicht nur vegan, sie gibt auch Workshops und macht in Superfood – verkauft und verarbeitet also Lebensmittel wie Aloe Vera oder Acai-Beeren, die besonders viele gesunde Nährstoffe enthalten sollen. „Lass Ernährung deine Medizin sein“, zitiert sie Hippokrates. Zitieren war mal ihr Beruf. Als Schauspielerin wird Rudhart nicht glücklich, durchlebt eine Krise, aus der ihr schließlich die Liebe hilft. Die Liebe zu einem Veganer. Vor fünf Jahren wird sie selbst vegan, von einem Tag auf den anderen. „So bin ich eben. Ganz oder gar nicht“, sagt sie. Ungefähr zur gleichen Zeit wird ihr ein Imbisswagen im Mauerpark angeboten, später der Stand in der Markthalle Neun.

Logische Schlussfolgerung

Zufall oder Fügung – jedenfalls ist der vegane Burger die logische Schlussfolgerung. 100 Prozent vegan und 100 Prozent bio, das ist ihr wichtig. So kommen zwischen die dunklen Bio-Brötchen auch nur zwei angebratene Tofuscheiben, frisch und ohne Verpackung angeliefert vom Berliner Tofuhaus um die Ecke. Dazu selbst gemachte Saucen, Rote Bete und Alfalfasprossen – die „Sun Day Burgers“ sind die geschmack- und farblich passende Ergänzung zu ihrer Erfinderin.

Vegane Burger als Fast Food

■ Auch das noch: Selbst die Fast-Food-Kette McDonald’s ist derzeit in Österreich dabei, ein neues veganes Angebot zu testen. „Im Lauf der Produktentwicklung gab es wie üblich mehrere Verkostungen auch mit Konsumenten“, so Unternehmenssprecherin Ursula Riegler. Und ein Patty – vegane Bratlinge aus Soja, Seitan oder Süßkartoffeln – das verkostet wurde, war laut Riegler „ein veganes“. Das neue Angebot soll in der zweiten Jahreshälfte in die Restaurants kommen, Details stehen aber noch nicht fest. (avb)

Auch um die Ecke im „Rootz“, wo Hipster in schwarzen Röhrenjeans fleischlose Burger, Bagels und Wraps bestellen, strahlen pinke Sternchen von den weißen Wänden – Pink und Sprossengrün scheinen die Farben der Saison zu sein. So erkennt man die etwas älteren Hasen im Geschäft auch ein wenig an den Farben, zum Beispiel dem „Vego“ in Prenzlauer Berg oder dem „Yoyo“ in Friedrichshain. Die ausschließlich veganen Karten der Restaurants gleichen sich auffällig, was kein Wunder ist, denn die Besitzer Jan Niklas Schmidt und Nihat Karayel haben das „Yoyo“ zunächst zusammen aufgebaut. Und haben beide im „Yellow Sunshine“ angefangen, beim Pionier in … na klar: Kreuzkölln.

Vegan – und omnivor!?

Erfunden hat Björn Kruse das vegane Fast Food zwar nicht, die Tür zum „Yellow Sunshine“ öffnete er aber vor mehr als zehn Jahren. Am Görlitzer Park führen sechs Stufen hoch in den Gastraum, der noch ein wenig Ideologie vergangener Zeiten vermittelt. Kein Pink, kein Grün, kein Weiß. Die Musik ist aufgedreht, Seeed schickt Reggae-Beats durch die offene Küche in den indischgelben und weinroten Raum. An etwa zehn Tischen sitzt das heute gemischte Publikum: vegetarisch, vegan – omnivor. Letzteres ist Latein für „allesfressend“, ein Schimpfwort der Szene.

Hier schimpft aber niemand, Dogma gibt’s anderswo. Dafür 13 vegetarische und 10 vegane Burger, vegetarische Currywurst und Gyrospfanne. Übrigens auch bei „Vego“ und „Yoyo“ erhältlich. Die Achse breitet sich aus.

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