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„Was soll das Gezicke?“

Die Linke würde in Niedersachsen mit Grünen und SPD zusammenarbeiten. Spitzenkandidat Manfred Sohn sieht viele Berührungspunkte. Außerdem will er Ansprechpartner für Gewerkschaften sein

MANFRED SOHN, 52, promovierter Politologe, ist Personal- und Aufsichtsrat eines Versicherungskonzerns in Hannover.

INTERVIEW KAI SCHÖNEBERG

taz: Herr Sohn, Ihre Parteikollegen in Hessen mussten zittern, die Linke in Niedersachsen hat aus dem Stand 7,1 Prozent der Stimmen bekommen. Überrascht?

Manfred Sohn: Ehrlich gesagt: nein. Vor der Bremen-Wahl sahen uns die Demoskopen bei vier Prozent, herausgekommen sind 8,4. Bei der Bundestagswahl war es ähnlich. Ich traue den Herren Meinungsforschern seitdem nicht mehr. Man musste nur ein bisschen Dreisatz beherrschen, um vorherzusehen, dass wir in Niedersachsen bei diesem fantastischen Ergebnis landen würden. Ich habe schon im Wahlkampf gemerkt, dass es fluppen würde.

Die Wahlbeteiligung war mit 57 Prozent historisch niedrig. Haben Sie davon profitiert?

Ja. Wir haben mit unseren Themen „Armut bekämpfen“, „Gerechteres Bildungssystem“ und „Privatisierung verhindern“ mobilisiert. Die SPD musste auf den Mindestlohn gehen, damit sie uns das Thema nicht überlässt. Das hat offenbar weniger gezogen. Als Hauptschuldigen sehe ich jedoch Christian Wulff. Er hätte aus der Wahl am liebsten einen Akt notarieller Bestätigung durch die Bürgerinnen und Bürger gemacht: Stempel drauf und fünf weitere Jahre Schwarz-Gelb. Wer Wahlen derart entpolitisiert, darf sich über die geringe Beteiligung nicht wundern. Auch die CDU hat fast sechs Prozentpunkte verloren.

Die Westausdehnung scheint zunächst gelungen, ein Fünf-Parteien-System etabliert sich auch in den Flächenländern der alten Bundesrepublik. Muss die Linke jetzt nicht ans Regieren denken, um bürgerliche Mehrheiten zu stürzen?

Wenn die Inhalte vernünftig sind: Was soll das Gezicke, warum nicht? Mit der SPD sehe ich eine Reihe von Berührungspunkten, die Grünen sind wie wir für eine gemeinsame Beschulung bis zur 10. Klasse oder gegen Atomkraftwerke. Wir werden den Kooperationswillen der anderen mit unserem ersten Antrag im Landtag überprüfen: Mal schauen, ob auch SPD und Grüne dafür sind, öffentliche Aufträge des Landes nur noch an Firmen zu vergeben, die mindestens acht Euro Stundenlohn zahlen. Außerdem: Niedersachsen und Hessen sind auch ein Signal für die Hamburg-Wahl in einem Monat.

Keiner der elf neuen Linken-Abgeordneten hat Erfahrungen in der Landespolitik. In Bremen und Hessen ist die Partei bislang vor allem durch Personalquerelen aufgefallen. Sind die Niedersachsen-Linken überhaupt parlamentstauglich?

Wir werden uns da schon reinfummeln. Landespolitik ist ja kein Zaubertrank voller Geheimnisse. Von Bremen lernen heißt zudem Siegen lernen. Dazu gehört auch, nicht in dieselben Fettnäpfchen zu tappen. Außerdem sind wir mit fähigen Leuten im Parlament vertreten: mit Ratspolitikern, Gewerkschaftern, Köpfen aus der Anti-Atom-Bewegung.

Was nun?

Wir werden am heutigen Dienstag in einem Großen Ratschlag mit Gewerkschaften und anderen sozialen Gruppen das Wahlergebnis und seine Folgen diskutieren. Die Linke will Probleme aus der Gesellschaft ins Parlament tragen. DGB oder GEW klagen seit langem über fehlende Ansprechpartner im parlamentarischen Raum. Ich meine: Da darf es keine chinesische Mauer geben.

Von Ihnen ist der Satz bekannt, es sei „die schlichte Wahrheit“, dass „die DDR 40 Jahre lang der friedlichere und gerechtere Teil Deutschlands war“. Hat auch die West-Linke ein Ostalgie-, wenn nicht gar ein Stasi-Problem?

Wir sind bereit, unsere Vergangenheit offen zu legen. Ich war in der FDP, der SPD, aber vor allem 20 Jahre in der DKP. Deshalb habe ich auch nichts gegen die sozialen Errungenschaften der DDR – aber sie war kein Rechtsstaat. Deshalb weine ich ihr keine Träne nach.

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