: Schlappe für Ausländerbehörde
Selbst wenn eine arglistige Täuschung vorliegt – eine Einbürgerung kann Jahre später nicht einfach wieder rückgängig gemacht werden. Nun müsste die Ausländerbehörde eigentlich umdenken
VON FELIX LEE UND ALKE WIERTH
Als „Dämpfer“ für den Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bezeichnete der Flüchtlingsrat das Urteil. Es habe sich mal wieder bestätigt, dass die Ausländerbehörde eigentlich eine Ausländerpolizei ist, ärgerte sich der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux.
Die Kritik reißt nicht ab, seitdem das Bundesverwaltungsgericht am vergangenen Donnerstag geurteilt hatte, dass eingebürgerten ehemaligen Ausländern der deutsche Pass trotz arglistiger Täuschung Jahre später nicht einfach wieder abgenommen werden darf. Mehr als acht Jahre seien nicht mehr „zeitnah“, hieß es zur Begründung.
Im aktuellen Urteil geht es um eine kurdische Familie, die seit 1985 in Berlin lebt. Die Eltern hatten bei der Einbürgerung angegeben, dass sie im Libanon aufgewachsen sind. Alle sechs Kinder zwischen 3 und 17 Jahren sind in Berlin geboren. Die Ausländerbehörde hält es für nachgewiesen, dass die Angabe der Eltern gelogen war und dass sie aus der Türkei stammen. Sie wollten ihnen die Staatsbürgerschaft aberkennen. Die Familie klagte.
Kurden aus dem Libanon gelten als Staatenlose; ihnen wird in der Regel ein Bleiberecht garantiert. Kompliziert ist jedoch der Nachweis, ob sie tatsächlich aus dem Libanon kommen. Laut Islamwissenschaftler Ralph Ghadban stammen die hier als libanesische Kurden bekannte Bevölkerungsgruppe ursprünglich aus Mardin im Südosten der Türkei. Von dort aus seien sie ab den 1920er-Jahren nach der Beteiligung an kurdischen Aufständen über Syrien in den Libanon ausgewandert. Sie sprechen einen eigenen Dialekt. Von den Kurden in der Türkei werden sie als Araber betrachtet, im Libanon wiederum als Kurden. In Berlin gehören rund 4.000 Personen zu dieser Mhallamiyya genannten Gruppe.
Ziel der Innenverwaltung sei gewesen, die Betroffenen „mit größtmöglicher Härte“ abzuschieben, vermutet der Flüchtlingsrat. Dem habe das Bundesverwaltungsgericht einen Riegel vorgeschoben. Der Flüchtlingsrat forderte Körting auf, die „mehr als zweifelhafte Tätigkeit der GE Ident“ zu beenden. GE steht für „Gemeinsame Ermittlungsgruppe“. Sie ist seit 2000 dafür abgestellt, die Herkunft von Kurden zu ermitteln, die angeben, aus dem Libanon zu kommen.
Aus der Innenverwaltung heißt es: Solange das Urteil nicht vollständig vorliegt, könne auch über keine Konsequenzen nachgedacht werden. Nichtsdestotrotz bleibe das Grundproblem, so eine Mitarbeiterin: Die Täuschung lasse sich häufig erst Jahre später feststellen. Das Urteil zeige auch, dass der Gesetzgeber für mehr Klarheit sorgen müsse. Bleibt es jedoch beim aktuellen Urteil, versicherte sie, werde die der Innenverwaltung unterstellten Ausländerbehörde alle Fälle, die länger zurückliegen, nicht weiterverfolgen.
Der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening, stellte grundsätzlich infrage, ob ein einmaliges Fehlverhalten wie eine Identitätstäuschung nach so vielen Jahren bestraft werden muss, zumal wenn „grundsätzliche Fortschritte im Integrationsprozess zu erkennen sind“. Er weiß: Diese Einschätzung wird in der Innenverwaltung nicht von allen geteilt. Es hätte ihn aber auch sehr gewundert, so Piening, wenn Integrationsbeauftragter und Ausländerbehörde immer gleicher Meinung wären.
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