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Hamburg: Schwarz-Grün rückt näher

„Das Trennende ist überbrückbar“, sagt Hamburgs CDU-Chef Freytag nach einem siebenstündigen Sondierungsgespräch mit den Grünen. Die sehen das ähnlich. Heute Abend entscheiden die Parteien über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen

AUS HAMBURG MARCO CARINI

War es ein Versprechen oder nur ein Versprecher? Einen „Auftakt nach Maß“ nannte Hamburgs CDU-Parteichef Michael Freytag gestern am frühen Abend die kurz zuvor beendeten Sondierungsgespräche seiner Partei mit den Hamburger Grünen.

Da weitere Sondierungstreffen nicht geplant sind, spricht damit vieles dafür, dass das schwarz-grüne Zusammentreffen nur ein „Auftakt“ zu Koalitionsverhandlungen sein kann.

Am heutigen Donnerstagabend wollen beide Seiten definitiv darüber entscheiden, ob Hamburg das erste Bundesland sein wird, in dem CDU und Grüne intensiv über eine Koalition verhandeln. Während der CDU-Landesvorstand tagt, wird die Grün-Alternative Liste (GAL) auf einer Mitgliederversammlung das Sondierungsgespräch auswerten und gegebenenfalls schon eine Verhandlungskommission benennen.

Offiziell wollte gestern keiner der Gesprächsteilnehmer bestätigen, dass die Weiche auf Schwarz-Grün gestellt ist. Bürgermeister Ole von Beust, der schon im Wahlkampf intensiv mit einer schwarz-grünen Regierung geliebäugelt hatte, sprach von einer „freundlichen Gesprächsatmosphäre“, in der man „detailliert über alle wichtigen Themen der Hamburger Politik“ miteinander gesprochen habe. Einer „Reihe von gemeinsamen Perspektiven und Kompromissmöglichkeiten“ stünden „diverse unterschiedliche Auffassungen“ in einigen Bereichen gegenüber.

Michael Freytag betonte, dass „das Trennende überbrückbar“ sei. Die Atmosphäre sei „ermutigend“ gewesen, „frischer Wind für Hamburg“ sei zu spüren. Die GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch betonte ebenfalls „Perspektiven und Dissense“, hielt sich ansonsten aber sehr bedeckt. GAL-Parteichefin Anja Hayduk sprach davon, dass beide Seiten „mit vielen Differenzen gestartet“ seien, jedoch „intensiv die Möglichkeit von Kompromissen und Überbrückungen ausgelotet“ hätten.

Während die CDU am Vortag mit der SPD-Spitze nur 90 Minuten verhandelt hatte, um anschließend „weitgehende Übereinstimmungen“ vor allem im Bereich der Wirtschaftspolitik“ zu konstatieren, dauerte der schwarz-grüne Gesprächsmarathon fast sieben Stunden. Beide Partner betonten, dabei alle strittigen Themenfelder angesprochen zu haben.

Für die CDU gelten die Elbvertiefung, die innere Sicherheit, die Beibehaltung der Gymnasien und die Haushaltskonsolidierung als besonders schwierige Verhandlungspunkte. GAL-Fraktionschefin Goetsch, die als zukünftige Schulsenatorin gehandelt wird, hatte im Vorfeld der Verhandlung die Verhinderung des geplanten Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg, die Bürgerrechte, das Konzept einer „Schule für alle“ und die Sozialpolitik zu den wichtigsten grünen Verhandlungsthemen erklärt.

Kompromissmöglichkeiten hatten sich schon vor der Sondierungsrunde bei der Schulpolitik gezeigt. So hatte die CDU angedeutet, in jedem Bezirk ein Modellprojekt einer „Schule für alle“ einzurichten oder die Zeit, in der alle Schüler gemeinsam unterrichtet werden, auf bis zu sechs Jahre zu verlängern. Als besonders schwierig gilt der Bereich der Bürgerrechte, da Hamburg über ein scharfes Polizeigesetz verfügt und eine rigide Abschiebepolitik betreibt.

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