: Hotel ohne Mama
Das Kinderhotel ersetzt Babysitter und Großeltern: Man kann seinen Nachwuchs dort für eine Nacht in die Obhut von Pädagogen geben. Wollen die Eltern am Morgen danach auch noch ausschlafen, zahlen sie kräftig drauf
Das Kinderhotel der Zionsgemeinde in Bremen nimmt Kinder im Alter von einem bis zehn Jahren auf. Öffnungszeiten: Jedes 3. Wochenende von Samstag 17 Uhr bis Sonntag 10 Uhr, weitere Termine nach Absprache. Eine Übernachtung kostet 30 Euro, es ist aber Geschwisterrabatt möglich. Nähere Informationen unter ☎ 0421 557 88 80. Das Kinderhotel des Mehrgenerationenhauses in Oldenburg bietet Kindern von sieben bis zwölf Jahren zu wechselnden Terminen eine Übernachtung an. Öffnungszeiten: Samstag 16 Uhr bis Sonntag 10 Uhr. Eine Übernachtung kostet 20 Euro. Nähere Informationen unter ☎ 0441 251 22. Im Kinderhotel vom Deutschen Roten Kreuz in Laboe bei Kiel gibt es keine Altersbegrenzung. Öffnungszeiten: Samstag 17 Uhr bis Sonntag 9 Uhr. Eine Übernachtung kostet 20 Euro. Nähere Informationen unter ☎ 04343 421 48 40. ALW
von MAXIMILIAN PROBST
Abends ins Kino gehen zu können, in ein Konzert oder auch nur in die Kneipe, gehört zu den Grundvoraussetzungen, um hierzulande am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Neben den Hartz-IV-Empfängern gibt es aber seit längerem auch eine weitere Gruppe, der dieses Quasigrundrecht des Großstädters regelrecht entzogen ist: junge Eltern, erst recht, wenn sie allein erziehend sind. Denn oft leben nun mal die Großeltern nicht in derselben Stadt wie ihre Enkel, und einen guten Babysitter zu finden, ist bekanntlich fast so unmöglich wie die Frau oder den Mann fürs Leben.
Einen Ausweg aus dieser verzweifelten Lage sollen neuerdings Kinderhotels weisen. Dort können die Eltern ihren Nachwuchs über Nacht betreuen lassen, etwa im Hotel „Bengel & Engel“ in Hamburg-Eimsbüttel. Check-In ist üblicherweise zwischen 18 und 19 Uhr. Morgens um 9 holt man die Kleinen wieder ab. Wem das zu früh ist, wer mal richtig ausschlafen will, kann aber auch später kommen und zahlt dann eben drauf: Elf Euro für jede weitere Stunde. Für die reguläre Übernachtung liegen die Kosten immerhin schon bei 55 Euro.
Gewinn macht „Bengel & Engel“ damit aber nicht. Die studierte Pädagogin Rebecca Dahl eröffnete das erste Hamburger Kinderhotel 2003 nach einem Konzept aus Skandinavien und Amerika. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der kleinen Gäste bei 150. Am Wochenende kommen meistens zwei bis vier Kinder, in der Woche manchmal auch nur eins, sagt Ellen Schülke, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Das Hotel „Bengel & Engel“, sagt sie, ist ein Service der gleichnamigen privaten Kindertagesstätte, deren Räume im Stockwerk drunter liegen und deren Diplom-Pädagogen auch die kleinen Hotelgäste betreuen. Die Mehrzahl der Gäste kämen aber nicht aus der Kita, sondern von außerhalb.
„Für die Kinder ist das immer ein Abenteuer“, sagt Schülke. „Das beginnt schon beim Einchecken, wenn die Kleinen mit einem Begrüßungscocktail empfangen werden“, einem Apfel- oder Multivitaminsaft, der mit Schirmchen und Frucht dekoriert ist, ganz wie bei den Großen. „Wir nehmen hier die Kinder für voll“, wie es Schülke erklärt. Ein Handtuch bekommt das Kind an der Mini-Rezeption auch noch mit auf den Weg.
Die Verabschiedung von den Eltern regelt sich von Fall zu Fall. Manche Eltern, sagt Schülke, bleiben eine Weile und besichtigen mit den Kindern die Räumen, andere wollen es kurz und und knapp machen – schmerzlos, wie sie hofften. Hin und wieder würde ein Kind auch mal weinen, räumt Schülke ein, „aber immer nur sehr kurz“.
Bis 19.45 Uhr gibt es bei „Bengel & Engel“ Abendbrot, Vollwertnahrung natürlich, Brot und Brötchen, Rohkost und Joghurt. Spaghetti mit Tomatensoße seien spontan machbar. Danach können die Kinder bis zum Schlafengehen mit den Pädagogen spielen, toben, basteln oder sich ihre Lieblingsbücher vorlesen lassen. Nach einer Gute-Nacht-Geschichte schliefen die Kinder in der Regel schnell ein. Für alle Fälle hinterlegen die Eltern natürlich ihre Kontaktnummern, aber dass ein Kind wieder abgeholt werden musste – davon hat Schülke noch nichts gehört. „Und am nächsten Morgen beim Abholen wollen die Kinder gar nicht mehr weg oder zumindest möglichst bald wiederkommen.“ Das hält Schülke für aussagekräftiger als die vereinzelten Tränen bei der Verabschiedung von den Eltern.
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