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Der Kompromisslose

Heute ist sein letzter Tag: 25 Jahre stritt der Leiter des Bremer Gesundheitsamtes, Jochen Zenker, mit übergriffigen Innensenatoren und für eine bessere medizinische Versorgung von Flüchtlingen

HEINZ-JOCHEN ZENKER, 64, Psychiater, lebt seit einem Jahr – wieder – in Berlin. Er bleibt Dozent an der Hochschule Bremen für Public Health.

INTERVIEW: EIKEN BRUHN

taz: Herr Zenker, Sie wurden vor 25 Jahren Leiter des Bremer Hauptgesundheitsamtes…

Heinz-Jochen Zenker: Und das habe ich nie bereut. Wissen Sie, dass meine Freunde damals gesagt haben – ich war stellvertretender Chef eines psychiatrischen Krankenhaus –„du hast’n Knall, gehst in so eine rückständige Gesundheitsverwaltung“?

Die meinten die in Bremen?

Nein, aber die war ähnlich reformbedürftig wie überall in der Republik. Es war die Zeit, in der in der so genannten Haut- und Geschlechtskrankenfürsorge – heute sagen wir „STD-Beratung“ für „sexually transmitted diseases“ – noch sogenannte Bock-Scheine ausgegeben wurden. Prostituierte wurden kontrolliert, obwohl alle wussten, dass das Nonsens war. Je mehr man kontrolliert, desto weniger erreicht man schwierige und vulnerable Zielgruppen.

Was hat Sie an dem Job gereizt?

Ich wollte meine Erfahrungen aus der Psychiatriereform auf die Gesundheitsfachverwaltung einer Kommune übertragen. In Bremen gab es den sehr engagierten Gesundheitssenator Herbert Brückner. Er stand hinter uns, mit ihm konnte vieles auf den Weg gebracht werden.

Sie haben einige Gesundheitssenatoren kommen und gehen sehen. Klappte die Zusammenarbeit mit denen auch so gut wie mit Brückner?

Natürlich unterschiedlich. Wobei ich sagen muss: Die fachliche Unterstützung habe ich immer gehabt. Der Unterschied ist aber, damals konnte ein Gesundheitssenator mehr gestalten. Heute hat die Politik wegen der Haushaltsrestriktionen viel geringere Spielräume. Ich prognostiziere aber, dass die Politik sich nicht weiter zurückziehen kann, angesichts der zunehmenden Polarisierung unserer Gesellschaft, deren negative Folgen man auch im Gesundheitsbereich sehr gut beobachten kann.

Haben Sie denn derzeit Anhaltspunkte für Ihre Prognose?

Ja, erstens braucht sich Bremen überhaupt nicht zu verstecken, wir geben bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr für integrative Gesundheitshilfen aus, die vom Gesundheitsamt in Teilen fachlich gesteuert werden. Sicherlich stand früher mehr Geld zur Verfügung, aber andere Bundesländer haben noch viel mehr gespart, zum Beispiel auch an den Gesundheitsämtern, viele stehen am Rande ihrer Existenz. Und man muss auch sehen, in den letzten Jahren hat sich zum Beispiel in der Folge des Falles Kevin in der Bevölkerung und in der Politik die Überzeugung herausgebildet: So kann es nicht weitergehen!

Reicht das, was seitdem geschehen ist?

Wünsche sind immer nach oben offen. Aber ich bin beeindruckt, was Bremer Politik vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltslage in letzter Zeit auf die Beine gestellt hat. Die Jugend- und Drogenhilfe ist verstärkt worden. Wir haben mehr Familienhebammen, das Kindeswohl-Gesetz wird umgesetzt und wir haben Stellen für aufsuchende Arbeit in Problemquartieren bekommen.

Ein anderes Projekt haben Sie nicht mehr zu Ende bringen können, eine Regelung für die medizinische Versorgung von Papierlosen.

Ja, diese Menschen haben kaum Zugang zum Gesundheitssystem, der ihnen eigentlich gesetzlich zusteht. Ich hoffe, dass sich Bremen für eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes einsetzt. Bisher nehmen viele Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel ihre Rechte im Bereich der Gesundheitssicherung nicht wahr, weil das Sozialamt nach Übernahme der Kosten für die medizinische Versorgung die personenbezogenen Daten an die Ausländerbehörde weitergeben muss und damit das Risiko einer Abschiebung besteht.

Gibt es nicht einen einfacheren Weg, den Bremen auch alleine gehen könnte?

Ich persönlich bin ein starker Befürworter des anonymen Krankenscheins. Jemand, der sich hier ohne Papiere aufhält, könnte zum Beispiel in das Gesundheitsamt kommen. Dort würde geprüft werden, ob er anspruchsberechtigt ist und vielleicht auch, ob er bereits länger in Bremen ist, damit es keinen Tourismus gibt. Wir würden klären, welche medizinischen Maßnahmen notwendig sind, die Abrechnung kontrollieren und das Sozialamt ohne Personenbezug die Leistungen bezahlen. Es wäre rechtlich möglich, weil wir als Ärzte die Schweigepflicht haben.

Ihr Engament für Flüchtlinge hat Sie immer wieder mit Innensenatoren aneinander gebracht, etwa wenn die versucht haben, Ihnen die medizinische Beurteilung der Reisefähigkeit zu entziehen. Haben Sie nie daran gedacht, selbst in die Politik zu gehen?

Doch, sehr oft. Meine Frau hat mir aber schon vor 35 Jahren davon abgeraten. Sie wusste, dass ich für die Politik nicht kompromissbereit genug bin.

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