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Otto Schily schweigt und klagt

Ex-Innenminister soll 22.000 Euro Strafe zahlen. Nach seiner Ansicht verbietet die anwaltliche Schweigepflicht, seine Einkünfte offenzulegen. Deswegen klagt er nun

BERLIN taz ■ Vielleicht gibt es nur zwei Dinge, an die Otto Schily wirklich glaubt: an sich selbst und an die anwaltliche Schweigepflicht. Genauer: seine anwaltliche Schweigepflicht. Deshalb soll er nun 22.000 Euro Ordnungsgeld an den Bundestagspräsidenten zahlen. Denn Schily weigert sich, dem Bundestagspräsidenten zu berichten, welche Mandanten er als Anwalt vertritt.

Laut Gesetz muss aber jeder MdB dem Bundestagspräsidenten bestimmte Einkünfte mitteilen. Veröffentlicht werden allerdings nur sehr vage Angaben: etwa wie viele Mandanten ein Rechtsanwalt vertrat und die ungefähre Höhe des Einkommens. Keine Zahlen, keine Namen.

Doch aus der Sicht des Exinnenministers ist schon das zu viel. Es geht ihm nicht ums Geld, sondern ums Prinzip. Die anwaltliche Schweigepflicht gilt für Schily absolut. Deshalb verbietet sich jede Auskunft darüber gegenüber Dritten, inklusive des Bundestagspräsidenten. In der Tat hat Schily seine Schweigepflicht als Anwalt stets eisern verteidigt. Als die RAF-Anwälte in den 70ern als Helfer der Terroristen diffamiert wurden, wehrte er sich standhaft gegen alle Versuche, öffentlich zu bekunden, was er mit seinen Mandanten besprach. Als in Stammheim diese Gespräche abgehört wurden, erklärte Schily, damit „zersetzt sich der Staat von innen“, und erschien nicht mehr vor Gericht. Auf die Frage, welche Mandanten er abgelehnt hat, antwortete er 2003 pflichtgetreu: „Auch das fällt unter die anwaltliche Schweigepflicht.“ Ein Filmemacher fragte 2001 an, ob Schily etwas zu Gudrun Ensslin sagen will – Schily beschied, dies komme nicht infrage, weil seine anwaltliche Schweigepflicht über den Tod von Ensslin hinausreiche. Allerdings war Schilys Neigung in den 90ern, über seine Rolle als RAF-Anwalt zu reden, auch ohne Schweigepflicht gleich null.

Diese biografische Kontinuität erklärt Schilys Hartnäckigkeit heutzutage. Rechtfertig sie sie auch? Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Offenlegungspraxis grundgesetzkonform ist. Und ist ein Exbundesverfassungsminister nicht besonders verpflichtet, Gesetze und das Verfassungsgericht zu achten? Einen Beigeschmack hat Schilys Sturheit auch, weil er, wie aus Medienberichten bekannt wurde, 2007 als Berater vom Siemens-Konzern 140.000 Euro erhalten hat.

Vor allem aber hat der Politiker Schily es mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nicht immer so preußisch genaugenommen, wie der Anwalt Schily es nun in eigener Sache tut. 1997 verhandelte er für die SPD den großen Lauschangriff – mit dem Ergebnis, dass ein Anwalt schon bei Verdacht auf Begünstigung belauscht werden darf. Und die Vertrauensverhältnisse zwischen Informant und Journalist, Patient und Therapeut waren Schily keine Herzensangelegenheit. Die Kritik der Vereinigung Berliner Strafverteidiger an Schilys Ja zum großen Lauschangriff beantwortet er auf seine Weise: Er trat 1998 aus.

Schily will gegen das Ordnungsgeld beim Bundesverwaltungsgericht klagen. Er will kämpfen – weniger für das Recht an sich als vielmehr für sein eigenes. STEFAN REINECKE

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