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Gekommen, um es zu erschweren

Bringt es mehr als gute Laune und gutes Gewissen? Am Dienstag spielt in Barmbek eine illustre Handvoll MusikerInnen zum „Warm-Up“ gegen den Aufmarsch von Neo-Nazis am 1. Mai

In Bezug auf die zeitweilig enge Beziehung von Popbetrieb und Gesellschaftskritik hat Diedrich Diederichsen einmal von einer „Koalition von Elenden und Erlebenden“ gesprochen und damit einen kurzen geschichtlichen Moment anvisiert, in dem beide für dasselbe standen oder zu stehen schienen. Pop kam als Statement gegen die Langeweile der Spießer, für die freie Sexualität und für eine diffuse geistige Freiheit daher und auch die politischen Bewegungen kämpften auf ihre Weise gegen die Welt der Eltern und hoben in ihren besten und erfolgreichsten Momenten damit die Langeweile auf. Der Hedonismus des Pop vermochte sich an solchen Gesten zu politisieren, die Strenge des politischen Kampfes bekam im Gegenzug ihre hedonistischen Elemente, was beiden sichtlich guttat.

Dass die Zeiten sich seitdem mehr als nur geringfügig geändert haben, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Wer sich aktuell für den beschriebenen Zusammenhang interessiert, wird deshalb nicht eben selten bei ganz anderen Formen der Politisierung von Pop und der Ästhetisierung von Politik landen, deren Gemeinsamkeit heute vor allem darin besteht, keine Grenze überschreiten und keine Spielregel unbeachtet lassen zu wollen. Pop und Politik, das klingt im Resultat dann in etwa so spannend wie Bob Geldof und Bono Vox, also veraltet, etabliert, angepasst, konstruktiv mittendrin.

Die andere Seite ist, dass sich im Schatten dieser bunt-polyglotten Trostlosigkeit auch gänzlich neue Ausbuchstabierungen des Zusammenhangs von Pop und Politik zeigen. Etwa der allseits als unappetitlich gebrandmarkte „Rechtsrock“, der sich abseits aller popkultureller Aufmerksamkeit zu mehr als nur einer Randerscheinung gemausert hat, und dabei den rebellischen und widerständigen Gestus ehedem links-codierter Jugendkulturen für sich zu beanspruchen versucht. Wie erfolgreich dies ist und noch werden kann, sei einmal dahin gestellt, in jedem Fall ist sein Aufkommen in Zeiten politisch und kulturell weichgespülter Botschaften und Zeichen ein deutliches Signal, das eigene Selbstbild gründlich zu hinterfragen und nach hilfreichen Gegensignale Ausschau zu halten.

Nun gibt es zum Thema Re-Politisierung im Bereich der Popkultur mittlerweile manche Initiative, Konzertreihe und Festivität zu sehen, die sich, wenn schon nicht dem Umsturz, immerhin der Rechtsextremismus- Problematik widmet und Engagement zeigt. Der gute Wille allein dürfte kaum ausreichen, denn wenn etwas am wenigsten gegen Rechtsextremismus hilft, dann wohl die Mischung aus Biederkeit, Stadionrock und moralischem Appell, gesponsert von der örtlichen Sparkasse und getragen von einem Bündnis aus Hund, Katze, Maus.

Den Beweis, dass es auch anders gehen kann, soll nun am Dienstag eine etwas anders konzipierte Veranstaltung erbringen, die ohne diesen Stallgeruch auszukommen versucht. In Anlehnung an eine bereits anlässlich der Wehrmachtsausstellung 2001 durchgeführte mobile Musikkundgebung, werden verschiedene illustre Bands und InterpretInnen auf einem LKW in Barmbek spielen und damit ihren Teil zur großen Mobilisierung gegen den zwei Tage später dort stattfindenden Aufmarsch von Neo-Nazis beitragen. Was das bringen soll, außer guter Laune und gutem Gewissen, wurde in den vergangenen Tagen hier und dort als Gretchenfrage formuliert. Schließlich ist nichts symbolischer als ein Konzert, das zwei Tage vor dem eigentlichen Ereignis stattfindet und mit nichts ist – zumindest in einer westdeutschen Großstadt – mehr Zustimmung zu erheischen, als mit einem Statement gegen stumpfe Neo-Nazis.

Das ist möglicherweise alles nicht ganz falsch. Letztlich aber zeigen solche Fragen auf, welche Probleme Pop und Politik derzeit gemeinsam und miteinander haben. Beiden mangelt es an Durchschlagskraft und letztlich oft genug auch an Attraktivität. In diesem Sinne kann ein „Antifaschistisches LKW-Konzert“ neben seinem eigentlichen Sinn – Menschen für die Gegenaktivitäten zu mobilisieren – noch einen weiteren Sinn entfalten und zwei mögliche Erkenntnisse liefern: Die erste lautet: Die subversiven Potenziale sind noch nicht abgeschöpft und Pop nicht langweilig und angepasst. Die zweite: Der Flirt zwischen Pop und Politik ist nur mit Widersprüchen zu haben. Dafür darf man Politik nicht nur als Demonstration und Pop nicht als Kampfparole verstehen.

Das musikalische Setting des Abends zumindest lässt hoffen, dass es auch den VeranstalterInnen auf diese beiden Botschaften ankommt. Breit ist jedenfalls das Spektrum, das von Elektropop, über Post-Punk bis zu HipHop und Techno reicht. Zum guten Zweck versammeln sich ab 16 Uhr der zu umfassender Agitation neigende Rapper Holger Burner mitsamt seinem Kollegen Philie Brandt sowie das mittlerweile zu den dienstältesten Reggae / Dancehall-Soundsystems zählende „Silly Walks Soundsystem“ am Barmbeker Busbahnhof. Zwei Stunden später geht es dann vor dem Museum der Arbeit weiter mit Auftritten der „Small Town Girls“ (ein Elektronik-Projekt der „Stella“- und „TGV“-Sängerin Elena Lange), einer Kollaboration der HipHopperInnen Samy de Luxe, Jan Delay und Miss Leema, mit der Postpunk-Band „Schneller Autos Organisation“ und dem Hamburger Punk- und Dance-Dadaisten Knarf Rellöm. Auf die „befreiende Ekstase“ wettenden Tanzkrach liefert dort Henning Schmidt aka Plemo und von „Deichkind“ gibt es noch mal HipHop. Der rote Faden? Such die Koalition und brich die Spielregel! Hoffentlich.DANIEL SCHLÜTER

Di, 29. 4., 16 Uhr, Busbahnhof Barmbek: Holger Burner, Philie Brandt, Silly Walks Soundsystem 18 Uhr, Museum der Arbeit: Small Town Girls, Samy de Luxe/Jan Delay/Miss Leema, Schneller Autos Organisation, Knarf Rellöm Trinity, Plemo, Deichkind

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