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Kampf um die Gunst der serbischen Sozialisten

Nach dem Patt bei den Parlamentswahlen wollen sowohl die pro- als auch die antieuropäischen Parteien die Sozialisten für eine Koalition gewinnen. Wer auch immer die neue Regierung stellt: politische Stabilität bringt sie nicht

BELGRAD taz ■ Die Begeisterung im serbischen proeuropäischen Lager nach den Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag hat sich gelegt. Zwar schnitt die Demokratische Partei (DS) von Staatspräsident Boris Tadić mit 38 Prozent der Stimmen überraschend gut ab. Sie muss jetzt aber, um eine Regierung zu bilden, nach Koalitionspartnern suchen.

Tadić ließ keinen Zweifel daran, dass die DS einen Anspruch darauf habe, die führende Kraft in der künftigen Regierung zu sein. Er kündigte an, zuerst die DS mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Sollten die Koalitionsverhandlungen ins Stocken geraten, könnte er sich monatelang einfach weigern, das Mandat weiterzugeben. Gegner werfen Tadić vor, das Präsidentenamt zu missbrauchen.

Die DS ist auf eine Koalition mit der von Slobodan Milošević gegründeten Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) angewiesen. Die Demokraten haben ihre bisherigen politischen Feinde aufgefordert, mit ihnen zusammenzuarbeiten und so die weitere Integration Serbiens in die EU zu ermöglichen. Der Preis, den Tadić bereit ist den Sozialisten für ihre Unterstützung zu zahlen, ist noch unbekannt. Eine Koalition mit den proeuropäischen Kräften würde die SPS jedenfalls von dem Ballast der Vergangenheit befreien. Es heißt, dass man der SPS sogar einen Platz in der Sozialistischen Internationale anbieten könnte, nur um die Bildung einer europafeindlichen Regierung zu verhindern. Ein Deal zwischen der DS und SPS würde jedoch die Vergangenheitsbewältigung in Serbien auf lange Zeit unmöglich machen. Die SPS verehrt nämlich nach wie vor ihren Gründer und langjährigen Präsidenten Slobodan Milošević. Mit keinem Wort hat sich die SPS bisher von Milošević und seiner Kriegspolitik distanziert, geschweige denn die Verantwortung für Völkermord, ethnische Säuberungen und Zerstörungen übernommen. SPS-Chef Ivica Dacić genießt sichtlich die Rolle des neuen serbischen Königsmachers. Gelassen schaut er zu, wie ihm die DS den Hof macht, die Milošević dem UNO- Tribunal auslieferte und die SPS politischer Morde und der Plünderung Serbiens beschuldigt.

Auf der anderen Seite wollen die nationalistische Serbische Radikale Partei (SRS) und die konservative Demokratische Partei Serbiens (DSS) des scheidenden Premiers Vojislav Koštunica keine Zeit verlieren. Sie haben sich auf eine Koalition geeinigt und die SPS aufgefordert, eine ideologisch kompakte Regierung zu bilden, um das Kosovo zu verteidigen. Medien wollen wissen, dass sie Dacić sogar das Amt des Ministerpräsidenten oder vierzig Prozent der Ministerposten anbieten könnten. Wem auch immer sich die SPS zuwendet – die künftige Regierung wird nur eine hauchdünne parlamentarische Mehrheit haben. Serbien ist noch weit von der erhofften politischen Stabilität entfernt. ANDREJ IVANJI

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