piwik no script img

DIE RENTENIDEEN DES DGB WEISEN IN DIE RICHTIGE RICHTUNGAlles andere als Sozialromantik

Ja spinnen die denn? Da fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund nicht nur eine saftige Rentenerhöhung, er will gleich das komplette Luxuspaket gegen Altersarmut: eine Erwerbstätigenrente, in die alle einzahlen, auch Selbstständige und Beamte. Eine Rente nach Mindesteinkommen, die Niedrigverdienern im Alter deutlich mehr als die Grundsicherung garantiert. Höhere Einzahlungen für Langzeitarbeitslose. Und als sei das noch nicht genug, will der DGB dafür zweistellige Milliardenbeträge aus der Steuerkasse einsetzen.

Verglichen mit anderen Vorschlägen der Rentendebatte, könnte man diese Revolution der Rentenversicherung als unbezahlbare Sozialromantik abtun. Doch dies wäre grundfalsch. Denn das Konzept der Gewerkschafter ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens: Es erkennt das Ausmaß einer sozialpolitischen Katastrophe an, die dem Land in naher Zukunft droht – die der Altersarmut. Immer mehr Menschen arbeiten für Niedrigstlöhne oder in befristeten Verträgen, schlagen sich als Selbstständige mit Kleinsteinkommen durch oder brauchen mehrere Jobs zum Überleben. Sie zahlen kaum in die Rentenversicherung ein, für Privatvorsorge fehlt ihnen das Geld. Die Zahl der armen Rentner wird stark wachsen, die Politik verschließt davor bisher kollektiv die Augen.

Daraus leitet sich die zweite Erkenntnis ab, die im DGB-Papier zumindest durchscheint: Ohne Systemwechsel ist die Rentenversicherung nicht zu retten. Junge Beitragszahler finanzieren den Alten die Rente, jeder bekommt so viel raus, wie er eingezahlt hat – dieses Prinzip kann in der künftigen Altenrepublik Deutschland nur kollabieren. Steuergeld in die Rente zu pumpen ist eine Lösung. Eine andere wäre, in der Rente ein solidarisches Prinzip wie in der Schweiz einzuziehen – indem Reiche zwar voll in die Kasse einzahlen, aber später gedeckelte Bezüge bekommen. Solch grundsätzliche Neuausrichtungen der Sozialpolitik wären Sache einer großen Koalition, weil sie für weite Teile der Gesellschaft steht. CDU und SPD begnügen sich stattdessen mit Minirentenaufschlägen aus wahltaktischem Kalkül. ULRICH SCHULTE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen