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Baden in Zeiten von Flutkatastrophen

So schlimm die Zustände auch sein mögen – in Birmas alter Hauptstadt spürt man nichts von einer Katastrophe

Im Hotel „Chatrium“ im Zentrum von Rangun gab es heute Morgen Rührei mit gebackenem Schinken, verschiedene Säfte vom Buffet und ich bat den Kellner dreimal, mir Kaffee nachzuschenken. Ich fand den Kaffee zwar ein wenig zu stark, doch andere meinten, er sei gerade richtig. Die anderen, das sind Angehörige europäischer Botschaften, Journalisten oder Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen.

Was es etwa 200 Kilometer südöstlich von Rangun entfernt zum Frühstück gab, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich nehme an: Brackwasser mit verfaultem Reis.

Wenn überhaupt.

Über die tatsächliche Situation im Katastrophengebiet des Wirbelsturms „Nargis“ weiß man auch heute, zwölf Tage nach der Verwüstung des Landes, sehr wenig. Ein Journalistenkollege, der gestern versteckt unter der Plane eines Jeeps versuchte, in das Flussdelta zu gelangen, wurde von einer Militärkontrolle entdeckt und ebenso zurück in die Hauptstadt geschickt wie Mitarbeiter deutscher Hilfsorganisationen.

So sitzen wir hier und trinken Kaffee. Am Abend auch mal ein Bier. „Myanmar“ heißt das Bier, und man muss sagen: nicht schlecht, Herr Specht. Wenn sie hier alles so gut machen, dann sind die Aufräumungsarbeiten im Delta, wo eine dreieinhalb Meter hohe Welle möglicherweise Zigtausende von Menschen tötete, vielleicht sogar gut bis sehr gut angelaufen.

Vielleicht aber auch nicht. Man weiß es nicht. Der deutsche Botschafter meinte, es sehe dort ganz schlimm aus. Gesehen hat er es aber auch nicht.

Wahrscheinlich ist es schlimm. Sehr schlimm sogar. Die ersten Anzeichen von Seuchen sind gemeldet worden, es gibt kein sauberes Trinkwasser mehr und Kinder sollen an Cholera erkranken. Heißt es.

In der alten Hauptstadt Rangun spürt man nichts von einer Katastrophe. Die Sturmschäden, die hier nicht so groß waren, sind weitgehend beseitigt, die umgestürzten Bäume abgesägt und die Dächer wieder gedeckt. Jeder geht seiner Arbeit nach und das Hotelpersonal ist betont freundlich. Ausnahmezustand? Hat man sich im Land geirrt?

„Guten Morgen, wie geht es Ihnen?“, sagt die Empfangsdame in der Hotellobby auf Deutsch. Sie kann sich gut ausdrücken, hat die Sprache in einer Abendschule gelernt. Doch fragt man sie nach der Flutkatastrophe, reicht auf einmal das eben noch gute Deutsch zur Antwort nicht mehr aus.

In der einzigen englischsprachigen Zeitung des Landes wird erst auf den hinteren Seiten über die Opfer des Wirbelsturms berichtet. Vorne steht etwas über China. Als wäre man froh, dass mit dem dortigen Erdbeben die Welt endlich ein wenig abgelenkt wurde.

Noch keine vier Jahre ist es her, da standen sich tausende von Helfern im Katastrophengebiet des Tsunami auf den Füßen herum, behinderten sich gegenseitig, und manche fragten, ob die Invasion der Hilfsorganisationen nicht die eigentliche Katastrophe war. Das war Luftlinie gemessen nicht einmal sehr weit entfernt von hier.

Nun ist gar niemand da, außer den wenigen, die aber nichts tun dürfen. Irgendwie scheint das Maß verloren.

Alle Ausländer im Land sind mit einem Touristenvisum eingereist. Es war die einzige Möglichkeit, überhaupt ein Visum zu bekommen. Auch die wenigen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen haben nur ein Touristenvisum. Helfer, die zum Nichtstun verdammt sind.

Heute wollen einige von ihnen aus lauter Langeweile die goldene Pagode von Rangun besichtigen. Andere trifft man im Fitness-Club des Hotels. Eine gute Idee, besser jedenfalls, als in der Hotellobby den zehnten Kaffee zu bestellen.

Was ich tun werde?

Ich weiß es noch nicht. Gerade füllen sie den Swimmingpool des Hotels wieder, nachdem er von umgestürzten Bäumen befreit, abgelassen und gereinigt worden ist.

Baden in Zeiten von Flutkatastrophen – es mag geschmacklos klingen, aber ich fühle mich unschuldig.

PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH

Fragen zum Baden kolumne@taz.de Montag: Kirsten Reinhardt KATASTROPHEN

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