: Die Kreuzberger Wüste soll leben
Beim Kiezgespräch zum Görlitzer Park versprechen Anwohner und Politiker mehr Liebe für den strapazierten Rasen. Strittig bleibt hingegen der Umgang mit Drogenhändlern
Von Weitem sieht die bunte Gruppe von Kreuzbergern, die am Samstagnachmittag die Probleme des Görlitzer Parks verhandelt, wie eine spontane Freiluftparty aus. Knapp drei Stunden lang diskutieren am Samstag junge und alte Anwohner, Polizisten und Politiker über Grillen, Gras und Glasscherben. Das angekündigte Protestpicknick gegen das Gespräch fällt aus, eine Harmoniefeier für mehr Flowerpower wird aus dem Treffen trotzdem nicht. Dafür sind der Frust und die Meinungsverschiedenheiten im Kiez zu groß.
Vor allem das Grillen und der Verkauf von Haschisch werden kontrovers diskutiert. Ein schwarzer Berliner fordert, dass Polizei und Anwohner die Dealer aus dem Park vertreiben sollen. Er warnt vor falschen Verallgemeinerungen wie „schwarz ist gleich Dealer“. Ein junger Intellektueller mit Kastenbrille will eine andere Drogenpolitik auf Bundesebene, und Harald Sieler, Kreuzberger CDU-Politiker, möchte Nulltoleranz wie in New York.
Beim Thema Müll ist man sich dagegen schnell einig. „Es ist klar, dass es so nicht weitergeht“, fasst Baustadträtin Jutta Kalepky (parteilos) die Debatte zusammen. Sie verspricht eine zusätzliche Reinigung am Wochenende, bessere Bewässerung und verschließbare Abfalleimer. Im nächsten Haushalt will sie außerdem Geld für Laternen und zusätzliche Müllcontainer am Parkeingang auftreiben. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) will ein neues Budget für den Ersatz von kaputten Grünpflanzen einrichten. Beim Thema Müll müssten sich alle Parknutzer jedoch an die eigene Nase fassen: 600.000 Euro könnten im Bezirk jährlich gespart werden, wenn sie ihre Picknickabfälle mit nach Hause nehmen würden. Für neue Laternen und die Ausstattung von Bibliotheken und Spielplätzen sei dieses Geld eindeutig besser angelegt, so Schulz.
Nach gut einer Stunde Debatte taucht hinter dem Fußballplatz plötzlich eine johlende Gruppe pink angezogener Spaßaktivisten auf. Sie rufen: „Görli für alle!“ und „Stopp Mediaspree!“ Das Anliegen der Kiezbewohner findet der 27-jährige Nico gut. Er ist mit einer Fahne mit der Aufschrift „Tofuschnitzeljäger“ bewaffnet. Trotzdem will er schnell weiter, denn seine Gruppe konkurriert bei einer hedonistischen Schnitzeljagd durch Berlin mit anderen Teams um ein goldgelb gebratenes Sojaschnitzel.
Davon lassen sich die Freunde des Görlis nicht lange beeindrucken. Trotz Sonnenschein und frischer Ideen ist das Fazit der Anwesenden am Ende gemischt. Ahmet Iyidirli vom Bildungswerk für Migrantenfragen findet die breite Beteiligung „super positiv“. Natürlich könne man mit einer einzigen Veranstaltung keine Berge versetzen, aber der Druck auf die Politik nehme zu, so Iyidirli. Stadtrat Peter Beckers (SPD), der für das Ordnungsamt zuständig ist, findet, dass seine Mitarbeiter zu Unrecht als Störenfriede dargestellt wurden: „Ohne Regeln geht es nicht. Aber davon fühlen sich hier einige gleich bedroht und werfen einem vor, man vertrete das Kapital und die Latte-macchiato-Fraktion.“ Deswegen müsse die Akzeptanz für das Ordnungsamt erhöht werden. TILL BELOW
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