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Die „Lübeck“, die „Dallas“ und die „Moskwa“

Konfliktgebiet Schwarzes Meer: Die Nato beginnt ein Seemanöver vor Bulgarien, Russland ankert sein Flaggschiff im georgischen Hafen

ISTANBUL taz ■ Zwei US-Kriegsschiffe sind schon da, das Flaggschiff der 6. US-Flotte, traditionell im Mittelmeer stationiert, ist angeblich auf dem Weg. Dazu kommen acht türkische, spanische, polnische Schiffe sowie die deutsche Fregatte „Lübeck“, die im Schwarzen Meer vor der Küste Bulgariens an einem angeblich seit Langem geplanten Manöver der Nato teilnehmen. Der russische Generalstab ist alarmiert. „Es wird hier langsam eng“, kommentierte ein Offizieller.

Andererseits lässt auch Moskau die Muskeln spielen. Das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, die „Moskwa“, ging am Mittwoch vor der Hauptstadt Abchasiens, Suchumi, vor Anker. Mit Militärmusik und Wodka wurde der „Genosse Präsident“ Sergei Bagapsch an Bord empfangen. Der Abchasen-Chef revanchierte sich und lud die Russen ein, so lange zu bleiben, wie sie wollen, obwohl Abchasien völkerrechtlich noch zu Georgien gehört.

Nach dem Krieg in Georgien scheint die neue Frontlinie zwischen Russland und dem Westen das Schwarze Meer zu sein. Die Situation ist explosiv. Im georgischen Hafen Poti wäre es fast schon zu einem Zusammenstoß gekommen. Das US-Küstenwachschiff „Dallas“, angeblich mit Hilfsgütern für Georgien beladen, sollte, offenbar als Demonstration amerikanischer Stärke, in den noch immer von Russen kontrollierten Hafen einlaufen. Erst im letzten Moment wurde die „Dallas“ nach Batumi umgeleitet, wo bereits der US-Raketenzerstörer „McFaul“ liegt. Der trägt angeblich bis zu tausend Raketen mit einer Reichweite von 2.000 Kilometern.

Dabei eignet sich gerade das Schwarze Meer nicht für Kanonenbootpolitik. Der Zugang ist nur über die Meerengen an den Dardanellen und am Bosporus möglich und setzt deshalb Kooperation voraus. Nato-Schiffe können Häfen in der Türkei, in Bulgarien und Rumänien anlaufen, dürfen sich aber nach dem Meerengen-Abkommen von Montreux aus dem Jahr 1936 nur eine begrenzte Zeit im Schwarzen Meer aufhalten.

Die russische Schwarzmeerflotte liegt in Sewastopol auf der Krim. Sewastopol ist aber ukrainisch, die Russen sind dort nur noch als vorübergehende Mieter geduldet. Die ukrainische Regierung würde sie am liebsten sofort vor die Tür setzen, eine Alternative für die russische Marine existiert jedoch noch nicht. Sotschi, die größte russische Stadt am Schwarzen Meer, hat keinen Tiefseehafen. Sewastopol und die Krim insgesamt könnten deshalb leicht zum nächsten Konfliktgebiet werden.

Heikel ist die Situation auch für das Nato-Mitglied Türkei. Nach dem Montreux-Abkommen kontrolliert die Türkei die Meerengen, muss aber auch bestimmte Restriktionen einhalten. So dürfen Kriegsschiffe, die eine bestimmte Größe überschreiten, die Meerengen nicht passieren. Dies brachte Ankara bereits Ärger mit Washington ein, weil die USA zur Demonstration ihrer Stärke zwei maritime Riesen losschicken wollte, die Türkei diesen jedoch die Durchfahrterlaubnis verweigerte.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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