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Venezuelas Opposition sucht neue Freunde

Während Präsident Chávez mit Militär gegen die Streikenden droht, wollen deren Führer in den USA für sich werben

BEUNOS AIRES taz ■ Für den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez ist Angriff die beste Vertreidigung. Auf einer Feier zur Übergabe von Landtiteln an 47 landlose Bauern drohte er am Samstag, bestreikte Lebensmittelfabriken vom Militär einnehmen zu lassen. Etwas später rief er während einer Kundgebung vor Lehrern und Studenten dazu auf, bestreikte Schulen zu besetzen. Und am Abend schließlich rechnete er vor, dass bereits 2.000 aufständische Mitarbeiter des staatlichen Erdölkonzerns Petróleos de Venezuela (PDVSA) entlassen wurden, seit ein Gericht den Streik in der Ölindustrie für verfassungswidrig erklärt hat. Seit dem 2. Dezember wird Venezuela von einem Generalstreik lahm gelegt, mit dem ein buntes Bündnis aus Unternehmern, Ölmanagern und Gewerkschaftern den demokratisch gewählten Chávez stürzen wollen.

Schulter an Schulter mit dem ihm treu ergebenen General Felipe Acosta kündigte Chávez eine Schlacht zwischen „Patrioten“ und „Antipatrioten“ an. Er versprach, nicht zuzulassen, dass Venezuela „in Hunger und Elend“ gestürzt werde. Gegenüber UN-Generalsekretär Kofi Annan will er gesagt haben, dass es in Venezuela keinen politischen Konflikt gebe, sondern eine Verschwörung „terroristischer Gruppen“.

Diese Schilderung will der Gewerkschaftsboss Carlos Ortega, einer der Anführer der Opposition, so nicht stehen lassen. Gemeinsam mit anderen Chávez-Gegnern kündigte er eine USA-Reise an, bei der er unter anderen Annan und dem State Department einen Besuch abstatten will. Bei der Reise gehe es darum, „unsere Situation zu erklären“, so Ortega. Auf der Meinungsseite der Tageszeitung El Nacional, die sich wie fast die gesamte venezolanische Presse der Opposition verschrieben hat, hört sich die Antwort der Chávez-Gegner auf das Säbelgerassel des Präsidenten weniger diplomatisch an. „Verflucht, soll er doch endlich auf uns schießen, sonst pissen wir ihn in die Pistole“, schreibt dort der Kolumnist Fausto Masó.

Langsam bekommt die Regierung die Streikfolgen auch auf wirtschaftlichem Gebiet zu spüren. Normalerweise produziert Venezuela rund 3 Millionen Barrel Rohöl am Tag, zur Zeit sind es gerade einmal 500.000. Durch die fehlenden Exporteinnahmen kommen keine Devisen mehr ins Land. Luis Organes von der Investmentbank J. P. Morgan fürchtet daher, dass Venezuela Schwierigkeiten haben könnte, seine Staatsschulden in Höhe von 18,3 Milliarden Dollar zu finanzieren. „Wenn der Streik auch im Februar weitergeht, werden Probleme beim Schuldendienst beginnen“, sagt Organes.

Unterdessen hat die brasilianische Regierung die Bildung einer „Gruppe der Freunde Venezuelas“ vorgeschlagen, die in dem Konflikt vermitteln soll. Eine etwas andere Art der Freundschaft pflegt der bolivianische Koka-Bauer Evo Morales zu Chávez. Er will mit anderen Gleichgesinnten nach Caracas reisen, um für Chávez zu demonstrieren. INGO MALCHER

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