piwik no script img

Einmal waschen und lidln, bitte

Angeblich aus Angst vor Überfällen überwacht ein Friseur in der Innenstadt seine MitarbeiterInnen per Videokamera. Die finden das in Ordnung, der Datenschützer jedoch „höchst problematisch“

von Jan Zier

Es ist ein fast unmerkliches Schild, das einen Hinweis liefert. „Video Surveillance“ steht da geschrieben, auf einem kleinen Aufkleber am Eingang des Friseurladens in der Kahlenstraße: Dieser Laden wird videoüberwacht. „Gelidlt“, wie man seit der Spitzelaffäre beim Lebensmitteldiscounter Lidl neuerdings sagt. „Das ist natürlich unzulässig“, sagt der Bremer Rechtsanwalt Lambert Großkopf mit Verweis auf eben jenen Fall. Und auch Harald Stelljes vom Landesbeauftragten für den Datenschutz findet die Kamera „höchst problematisch“.

Die Mitarbeiterinnen indes nicht. Auf Nachfragen reagieren sie ungehalten. Die Überwachung diene ja der „Sicherheit“, sagen sie dann, etwas diffus, und dem Schutz, vor Überfällen etwa, Diebstählen, Einbrüchen. Kein Wort davon, dass sie selbst es sind, die da bei ihrer Arbeit stetig überwacht werden, nebst allen KundInnen.

Die Kamera – über der Kasse angebracht – ist schwenkbar, erfasst also potentiell den ganzen Laden. Eine akustische Raumüberwachung findet nach eigenen Angaben jedoch nicht statt. Das Gerät sei zur „Sicherheit der Mitarbeiterinnen“ installiert worden, betont der Chef aus dem fernen Berlin. Dort betreibt er vier weitere Friseurgeschäfte, die Filiale in der Bremer Innenstadt hat er erst vor wenigen Monaten eröffnet. Aber weil er selbst ja „nicht permanent vor Ort sein könne“, habe er eben die Videoüberwachung installiert – schließlich wisse er ja sonst gar nicht, ob seine Angestellten seinen Laden morgens überhaupt aufgesperrt hätten. Und außerdem, sagt er dann noch, könne man dann auch die anstehenden „Probleme“ besser lösen. Welche das sind, vermag er indes nicht zu sagen. Von der Dauerüberwachung der Mitarbeiterinnen ist dabei freilich nicht die Rede, nur von womöglich renitenten oder gar übergriffigen KundInnen.

Laut Bundesdatenschutzgesetz ist derlei Dauerüberwachung jedoch nur zulässig, wenn ein „konkreter Zweck“ dies auch erforderlich macht, latente Diebstahlgefahr etwa. Und darüber hinaus keine „schutzwürdigen Belange“ entgegen stehen. Doch genau das ist hier der Fall, sagt Stelljes – gehe es doch um einen „gravierenden“ Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Angestellten. Ohnedies findet er die Begründung des Ladenbesitzers eher „kurios“, die Idee eines Überfalls auf einen Friseur „an den Haaren herbei gezogen“. Er prüft diesen Fall derzeit. Die Angestellten seien hier einem „permanenten Überwachungsdruck“ ausgesetzt, sagt Stelljes. Dem Vernehmen nach soll der Chef seine Mitarbeiterinnen schon mal „zur Schnecke“ gemacht haben, wenn ihm missfiel, was auf dem Video zu sehen war.

Dass auch einzelne KundInnen ins Visier geraten, sei dabei „noch weniger problematisch“, sagt Stelljes, und gegen eine Kamera im Eingangsbereich – wie es sie ja in allen Bankfilialen gibt – sei ebenfalls nichts einzuwenden. Ähnliches gelte für eine Videokontrolle außerhalb der Öffnungszeiten. „Das reicht vollkommen aus“, so Stelljes. Der Ladenbesitzer sieht das freilich anders – nun muss er dem Landesdatenschützer darlegen, warum. Kann er das nicht, droht ihm ein Bußgeld.

Er verweist darauf, dass er die Videobänder stets nur stichprobenartig durchsehe, und aufgehoben würden die Filmchen auch nicht. Und beschwert habe sich bislang ebenfalls niemand. Die Kritik des Datenschützers kann er nicht verstehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen