piwik no script img

Europa verfehlt sein KlimazielKOMMENTAR VON NICK REIMER

Nach neuesten Erkenntnissen wird das erklärte Ziel der Europäischen Union, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, nicht mehr zu erreichen sein. Selbst wenn es gelingt, alle weltweiten Kohlendioxidemissionen sofort zu stoppen, kann nicht verhindert werden, dass sich die Erde – bis auf eine Höhe von 2.100 Metern – um mindestens 2,4 Grad erwärmt.

Eine dramatische Aussage, die von renommierten Wissenschaftlern stammt. Denn auf das Ziel, die Erwärmung auf höchstens zwei Grad zu beschränken, hat sich die Politik nicht willkürlich festgelegt. Eine um bis zu zwei Grad gestiegene Globaltemperatur – so die Prognose des nobelpreisprämierten Weltklimarats – wäre gerade noch beherrschbar. Jenseits dieser Marke aber verselbständigt sich die Erderwärmung – egal welche Anstrengungen die Menschheit dann noch für den Klimaschutz unternimmt.

Unter den Permafrostböden, die weite Teile Sibiriens, Alaskas und Kanadas bedecken, lagern Millionen von Milliarden Kubikmeter Methan – ein 22-mal aggressiveres Klimagift als Kohlendioxid. Jenseits von zwei Grad tauen diese Böden komplett auf – und geben damit ihre Giftfracht frei. Darüber hinaus sind in den Weltmeeren heute noch gigantische Mengen von Kohlendioxid gespeichert. Erwärmen sich die Meere um mehr als zwei Grad, geben sie den Erderwärmer aber wieder ab.

Ernst genommen werden diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in der EU bislang allerdings offensichtlich nicht. In Brüssel, wo derzeit das Klima- und Energiepaket beraten wird, versucht Bundesumweltminister Gabriel beim Emissionshandel sogar noch Schlupflöcher für die deutsche Industrie rauszuschlagen – trotz aller gestenreichen Rhetorik, mit der er sonst Deutschland als Vorreiter beim Klimaschutz präsentiert.

Parallel dazu bekämpfen deutsche Politiker jede Klimaschutzauflage für die heimischen Autobauer. Und ob Angela Merkel das Thema tatsächlich „wirklich begriffen hat“, wie immer im Umfeld der Kanzlerin beteuert wird? Die eigentliche Frage angesichts der dramatischen Warnung aus der Wissenschaft lautet deshalb: Wieso handelt die deutsche Politik nicht endlich?

NICK REIMER

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen