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Der Diktator muss weg

Die USA lehnen jede diplomatische Lösung ab, bei der Saddam im Amt bliebe – auch wenn Irak alle Resolutionen erfüllt

aus New York ANDREAS ZUMACH

Die Beseitigung des Regimes von Saddam Hussein ist das oberste Ziel der USA, selbst wenn Irak die Auflagen der UNO-Resolution 1441 vollständig erfüllen sollte. Dies hat die Bush-Administration nach Informationen der taz den Regierungen der anderen vier Vetomächten des Sicherheitsrates Russland, Frankreich, China und Großbritannien sowie mehrerer nichtständiger Ratsmitglieder seit Mitte Januar in direkten bilateralen Konsultationen deutlich gemacht. Nach übereinstimmenden Angaben von Diplomaten mehrerer Ratsmitgliedsstaaten habe die Bush-Administration jede Lösung der Irakkrise, bei der Saddam Hussein an der Macht bleiben würde, als unannehmbar ausgeschlossen.

Washington verfolgt das Ziel einer Beseitigung des Bagdader Regimes auf mehreren Ebenen und mit inzwischen uneingeschränkter Unterstützung der britischen Regierung. Zum einen wird London – wie die taz bereits am 3. Februar berichtet hatte – spätestens nach dem für Freitag dieser Woche geplanten Bericht der UNO-Chefinspekteure Hans Blix und Mohammed al-Baradei vor dem Sicherheitrat einen mit Washington abgesprochenen Entwurf für eine Ultimatumsresolution an Bagdad vorlegen. Sie wird eine Frist bis spätestens Mitte März setzen – für eine von den UNO-Inspekteuren zertifizierte Erfüllung sämtlicher Auflagen der Resolution 1441. Nach Ablauf dieser auch nach Einschätzung von US-Diplomaten unrealistisch kurzen Frist hätten die USA und Großbritannien freie Hand für ein militärisches Vorgehen. Zugleich bemühen sich die USA hinter den Kulissen aktiv und in enger Koordination mit Russland, Saudi-Arabien und der Türkei um Saddam Husseins Gang ins Exil oder seinen Sturz durch einen Putsch.

In der geplanten Ultimatumsresolution sollen anhaltende „schwerwiegende Verstöße“ Bagdads gegen die Resolution 1441 festgestellt und die bereits in jener Resolution ausgesprochene Drohung mit „schwerwiegenden Konsequenzen“ wiederholt werden. Eine ausdrückliche Ermächtigung zu militärischen Maßnahmen würde nach Einschätzung der USA und Großbritanniens aber an einem Veto Frankreichs, Russlands oder Chinas scheitern. Deshalb soll die neue Resolution nur ein Ultimatum enthalten. Aufgrund ihrer bilateralen Konsultationen mit den Regierungen anderer Ratsstaaten in den letzten Wochen rechnet die Bush-Administration inzwischen fest damit, dass die erforderlichen neun Ja-Stimmen für eine Ultimatumsresolution zustande kommen, und dass keines der vier anderen ständigen Ratsmitglieder ein Veto einlegt.

Bei diesen Konsultationen übte Washington zum Teil erheblichen Druck aus oder machte Zusagen für ein Entgegenkommen in anderen Fragen. Die drei afrikanischen Ratsmitglieder Angola, Guinea und Kamerun wurden an eine Passage des Gesetztes über wirtschaftliche Hilfe für Afrika erinnert, das der US-Kongress im letzten Jahr verabschiedet hatte. Darin ist als Bedingung für die Wirtschaftshilfe ausdrücklich festgelegt, dass die Empfängerstaaten den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der USA nicht zuwiderhandeln. Unter dem Druck dieser Bestimmung hatte bereits bei den Beratungen über die Resolution 1441 im Oktober letzten Jahres das – inzwischen ausgeschiedene – afrikanische Ratsmitglied Mauritius seine ursprüngliche Absicht zur Enthaltung revidiert und mit Ja gestimmt. Washington geht inzwischen davon aus, dass Angola, Kamerun und Guinea – das im März den Vorsitz im Sicherheitsrat übernehmen wird – einer Ultimatumsresolution zustimmen werden.

„Auf gutem Weg in diese Richtung“ sind nach Angaben westlicher UNO-Diplomaten auch die beiden lateinamerikanischen Ratsmitglieder Chile und Mexiko, auf die Washington ebenfalls wirtschaftlichen Druck ausübt. Bulgarien und Spanien hatten bereits seit geraumer Zeit ihre Unterstützung auch für ein militärisches Vorgehen gegen Irak öffentlich erklärt. Als unsichere Kandidaten unter den nichtständigen Mitgliedern gelten aus Sicht Washingtons noch Pakistan und Syrien sowie Deutschland. Moskau, Peking und Paris haben Washington die grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, eine Ultimatumsresolution nicht durch ein Veto zu blockieren. Bei den Sondierungen mit Moskau bot Washington unter anderem eine verstärkte Unterstützung für Russlands Beitrittswunsch zur Welthandelsorganisation (WTO) an und die Duldung der von der Regierung Putin für April geplanten militärischen Großoffensive gegen die tschetschenischen Rebellen.

Nicht ausgeschlossen wird von britischen Diplomaten auch eine Resolution, mit der Saddam Hussein nach dem 14. Februar ein Ultimatum für den Gang ins Exil gesetzt wird. Die Dynamik im UNO-Sicherheitsrat könnte sich noch verändern, sollten Frankreich und Deutschland dem UNO-Gremium tatsächlich einen gemeinsamen Vorschlag für ein massiv verstärktes und von einer UNO-Blauhelmtruppe durchgesetztes Inspektionsregime im Irak vorlegen (siehe unten). Eine solche Regelung würde möglicherweise längerfristig auch das Ende des Regimes von Saddam Hussein bedeuten, den USA allerdings zunächst sehr viel weniger Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten im Irak erlauben als die Beseitigung des Regimes durch einen Krieg.

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