piwik no script img

Katzek

Früher war Jens Katzek beim BUND. Heute ist er Lobbyist für genveränderte Pflanzen. Grade plant er in Sachsen-Anhalt den erstmaligen Anbau von Genmais in Deutschland. Ein Streiter für mehr Modernität? Beim BUND sagen sie: „Die haben ihn gekauft“

VON MAREKE ADEN

In der Ecke des Cafés steht ein Papageienkäfig. Drin ein Papagei. „Gentechnik ist toll, Gentechnik ist toll“, spricht Jens Katzek ihm vor. Der Papagei schweigt. Lobbyarbeit ohne Erfolg. Nein, Jens Katzek, 40, Lobbyist für den Anbau von genveränderten Pflanzen, hat nur einen Scherz gemacht. Er fragt: „Wäre das nicht ein guter Einstieg für ein Porträt?“ Er vor dem Papageienkäfig?

Ja, vielen Dank, das war ein guter Einstieg. Katzek ist eben ein Mann, der die Medien anspricht und weiß, was sie wollen: einen Papageieneinstieg. Sätze, die einmal zitiert wurden, sagt er oft. „Auf einer Fläche so groß wie von Lissabon bis Moskau haben wir konkrete Erfahrungen mit dem Anbau von Genpflanzen“, sagt er im Café und kurz später in den ARD-Tagesthemen. Der Bericht zeigt Katzek, wie er im Auto sitzt und über Land fährt, über sachsen-anhaltinische Äcker, die nach einem Beschluss der Landesregierung schon bald mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln bebaut werden können.

Katzek versucht mit solchen Sätzen, den Menschen die Angst vor der Genmanipulation zu nehmen. Das macht er auch mit Basisarbeit. In Magdeburg hat er während der Wiedervereinigungsfeier Maisplätzchen verteilt und nach anfänglicher Skepsis („Ach, das ist dieser Genmais“) Aufgeschlossenheit geerntet („Schmeckt ja genauso“).

Im Osten, darauf weist er bei Gelegenheit dann auch hin, hingen viele Arbeitsplätze an der Pflanzenbiotechnologie, in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt mehr als in anderen Regionen Deutschlands. Den Profilobbyisten merkt man Katzek auch an, weil er immer für alles knackige Beispiele hat. Den Unterschied zwischen gezüchteten und genmanipulierten Pflanzen kann er auch im Café erklären. Er zeigt auf ein verschrumpeltes Pflänzchen, das auf dem Tisch steht. „So sah der Urkohl mal aus, und jetzt haben wir Weißkohl und Grünkohl und Rotkohl; durch Genpanscherei“.

Gene sind also schon immer verändert worden, und schon immer habe man irgendwann weiter panschen müssen, weil die Natur dann doch schlauer sei, als der Mensch mit seiner Technik. Man stellt sich einen Riesenkohl auf dem Kaffeehaustisch vor, der bald wachsen und Menschen ernähren kann. Das ist plastisch.

Superstar der Gentechnik

Ob Katzek damit Erfolg hat? Vor nicht einmal einem Jahr ist er nach Sachsen-Anhalt zu der kleinen Lobbytruppe BIO Mitteldeutschland gekommen, die von den Chemie- und Biotechfirmen wie Hexal, Bayer und SunGene finanziert ist. Das so genannte De-facto-Moratorium, nach dem die EU-Staaten den Anbau von Gen-Pflanzen seit fünf Jahren nicht mehr zugelassen haben, könnte schon in den nächsten Monaten kippen. Unabhängig davon will Sachsen-Anhalt unbedingt vorpreschen, möglichst noch in diesem Frühjahr als erstes Bundesland hunderte von Hektar für den Versuchsanbau zur Verfügung stellen. Das wirtschaftlich schwache Land wird die gesamte Biotechnolgie in den nächsten fünf Jahren mit 150 Millionen Euro fördern.

Wer etwas über Gentechnik wissen will oder Kontakte braucht in der Lebensmittelindustrie, kommt an Katzek nur mit Mühe vorbei. Er hat die Kontakte. Katzek ist Biochemiker und war schon bei der Kleinwanzlebener Saatzucht, einem der größten Pflanzenhersteller Deutschlands und bei der Industrievereinigung Biotechnologie.

Seine Karriere begann im Bundestag, als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten Edelgard Bulmahn. Er ist allzeit präsent, in den Zeitungen, im Fernsehen. Er ist ein kleiner Reformator der Landwirtschaft in Deutschland geworden, ein Streiter für mehr Modernität anstelle von Schrumpelkohl. Ein Superstar der Gentechnik.

Trotzdem gibt es Leute, die sagen: „Aus Katzek ist nie so richtig was geworden.“ Es sind die Gegner der grünen Gentechnik, Leute, die in Umweltorganisationen arbeiten. Leute, die so oft mit Katzek auf einem Podium sitzen, weil sie die Gegenposition vertreten sollen. Kein Wunder, könnte man meinen, sie wollen seinen Erfolg klein reden. Allerdings klingt aus ihrer Einschätzung nicht nur Genugtuung, sondern auch ein wenig Enttäuschung: Wär er doch nur bei uns geblieben.

Denn Katzek ist nicht immer Lobbyist für große Konzerne gewesen. Früher war Katzek mal beim BUND. Das ist die Umweltorganisation, für die zersauste Studenten werben, indem sie Passanten ansprechen und auf Vogelschutz und Flussbegradigung aufmerksam zu machen.

Das ist auch die Organisation, die zur Gentechnik auf ihrer Webseite als ersten Satz stehen hat: „Die Risiken von GEN-Food sind nicht abzusehen“, und deren Gentechnikexpertin jault, wenn es um das Thema geht.

Das ist wörtlich zu nehmen. Heike Moldenhauer sagt dann: „Jaul“. Sie ist eine Nachfolgerin auf dem Posten, den Katzek mal hatte. Und so kommt es, dass zum Beispiel der so genannte BT-Mais vom Vorgänger und seiner Nachfolgerin sehr unterschiedlich bewertet werden. Katzek ist begeistert von der Möglichkeit, nicht immer mit der Chemiekeule gegen Schädlinge ankämpfen zu müssen, weil ein eingebautes Gen sie schon abwehrt. Moldenhauer sagt dazu laut „Igitt“. Sie sagt:„Man muss sich vorstellen, dass da ein Mais angebaut wird, der auch als Insektizid gilt. Und das soll man dann essen!“

Wie kam es, dass Katzek sich so umorientiert hat? Irgendwann, es war wohl auf einer Veranstaltung zur Umweltbibel „Zukunftsfähiges Deutschland“, 1996 also, erinnern sich Kollegen von damals, da hat Katzek gentechnisch veränderte Enzyme in Waschmitteln als ökologisch gepriesen, weil man mit ihnen nicht mehr so heiß waschen müsse. Ganz schönen Stress hat das in der Umweltbewegung verursacht. Heute sehen die BUND-Leute das als eine Art Bewerbungsschreiben an die Industrie. Knapp zwei Jahre später fing er bei der „Kleinwanzlebener Saatzucht“ an.

Beim BUND sagen sie: „Die haben ihn gekauft!“ Jetzt die Version von Katzek: Gekauft? Er? „Ich hätte Staatssekretär werden können wie viele andere aus den NGOs, dann hätte ich jetzt wesentlich mehr Geld“, sagt er. Außerdem habe er durch seinen Wechsel nur ein paar tausend Mark im Jahr gewonnen. „Wer bin ich denn, dass ich dafür meine Meinung ändern würde.“

Seine Stellungnahmen zum Thema Seitenwechsel klingen wie ein sehr langes Dementi. Er sagt, er sei erstens schon damals kein Radikalinski gewesen und zweitens auch heute kein Dogmatiker, seine Frau kaufe nach wie vor im Ökoladen, „diese kleinen, süßen Müsliriegel, Brot und Joghurt“. Nein, in Wirklichkeit erleichtert seine Arbeit beim BUND ihm sein heutiges Werken sogar, weil er damals doch selbst dafür gesorgt hat, dass die Risiken minimiert werden. Er hat also nie die Seiten gewechselt, seine Meinung war immer dieselbe, nur sein Arbeitgeber ist heute ein anderer.

Renegat, aber kein Verräter

Wenn er erst einmal angefangen hat, über die Vorteile der Gentechnik zu reden, wenn er aufgewärmt ist, merkt man es schnell: Er ist Renegat, aber sicher kein Verräter. Er mag für seine neue Überzeugung eine alte aufgegeben haben, aber überzeugt ist er: von einer schönen, neuen Welt auf deutschen Äckern. Weizenmehl können in dieser Welt auch die essen, die dagegen eigentlich allergisch sind.

Im Tierfutter sind schon die Impfstoffe, und in der dritten Welt behalten 10.000 Kinder ihr Augenlicht, weil sie genveränderten Reis mit einer Extraportion Gen-Vitaminen essen können. Er wolle mal jemanden erleben, der zwei Stunden mit einer Augenbinde herumläuft und dann immer noch gegen den so genannten goldenen Reis ist. Er selbst hat das mit der Augenbinde zwar noch nicht ausprobiert, aber berührt habe ihn dieser Vorschlag eines kämpferischen Forschers.

Derart überzeugt schreckt er nicht davor zurück, Verbraucherministerin Renate Künast mit Marie-Antoinette zu vergleichen. „Wenn sie kein Brot haben, warum essen sie dann keinen Kuchen?“, habe die Königin vor der Französischen Revolution über die Hungrigen gesagt, so wie Künast heute empfehle, Salat zu essen. Zynisch sei das, die Mütter in Bangladesch hätten keinen Salat.

Dafür hätten sie Vitamintabletten, sagt Heike Moldenhauer. Das sei billiger als Vitaminreis zu entwickeln. Die könnten sich die Leute in Bangladesch dann ja auch unter den Reis mischen, wenn sie gern wollten. „Immer wenn die Industrie merkt, dass sie ein richtig fettes Akzeptanzpoblem bekommt, dann fährt sie die Mutter-Teresa-Schiene“, sagt Moldenhauer zum goldenen Reis.

Der Ton wird härter. Katzek spricht von der „Ökodiktatur“ in Deutschland. Die Gentechnikgegner sind für ihn wie die Partei, die er aus Westberliner Zeiten vor 1989 kennt: die Partei auf der anderen Seite, die immer Recht hat. Dogmatismus und Demagogie, das sind die Begriffe, die ihm dazu einfallen.

Die „Aggressivität des Überläufers“ sei das, sagt Heike Moldenhauer: „Die anderen Vertreter der Lobby rasten nicht so aus.“

Als sie unlängst auf einem Podium forderte, die Felder mit Genpflanzen sollten wenigstens bekannt gemacht werden, habe er unterstellt, sie wolle das wissen, damit sie die Pflanzen wieder ausrupfen könne. Selbst Katzeks Mitstreiter seien peinlich berührt gewesen. Das ist wohl der Grund, warum man sagt, aus Katzek sei nie so richtig etwas geworden nach seinem Seitenwechsel.

Auch wenn es jetzt „wieder Ernst, richtig Ernst wird“, wie sie sagt: Heike Moldenhauer hofft, dass der gentechnische Neustart für Sachsen-Anhalt schwer wird. Immerhin machen die Bauernverbände nicht ohne weiteres mit. In Eilpresseerklärungen teilten sie ihre „große Sorge“ über die voreilige Initiative von Landesregierung und Unternehmen mit.

„Ohne die Bauern wird die Gen-Technik-Lobby auf Dauer keinen Erfolg haben“, sagt Moldenhauer.

Sie schreibt den unerwarteten Widerstand einem Fehler Katzeks zu, der die Bauern viel zu spät informiert habe. Die Umwelt-Lobbyistin freut sich, wenn der professionellste Renegat der Öko-Bewegung einen Fehler macht. Am liebsten würde sie Jens Katzek einen Blumenstrauß bringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen