piwik no script img

Die Säulen rotieren

Seit 25 Jahren vermarktet die „Deutsche Städte Medien“ die öffentlichen Werbeflächen in Bremen, eine gute Million jährlich sprang für das Land dabei heraus. Doch bald läuft der Vertrag aus, und die Stadt hofft, künftig mehr herauszuholen. Hamburg machte es vor: Dort ließ man sich für die nächsten 15 Jahre eine halbe Milliarde Euro garantieren

„In Hamburg wird kaum eine alte Säule oder Plakatfläche stehen bleiben“, sagt Ströhr-Sprecher Lammers. „Die Stadt hat jede Menge neuer Produkte zugelassen“.

Von Christian Jakob

Es gab noch die Mauer, es gab die Mark und es gab kein Privatfernsehen: Der August 1982 ist ganz schön lange her. Zu eben jener Zeit schlossen die Stadt Bremen und die Deutsche Städte Medien GmbH (DSM) einen Vertrag. Die DSM erwarb damit das alleinige Recht, künftig auf öffentlichen Flächen Werbung zu betreiben. Im Gegenzug verpflichtete sich das Unternehmen, die Flächen zu vermarkten, zu bestücken, zu unterhalten – und an das Land jedes Jahr einen umsatzabhängigen Obulus zu zahlen – zuletzt rund 1,2 Millionen Euro. Und weil sich offenbar beide, die Stadt und die DSM, einig waren, dass sie bei der Sache gut abschnitten, legten sie sich gleich für viele Jahre fest: Erst 2010 findet die Zusammenarbeit ein planmäßiges Ende.

Wer künftig an Stelle der DSM die Plakate verklebt, und vor allem, wie viel das klamme Bremen dafür in Zukunft einstreichen kann, ist noch völlig offen. Einen gewissen Zugzwang übt da der spektakuläre Deal aus, den Hamburg kürzlich mit dem dort ansässigen so genannten „Stadtmöblierer“ JC Decaux und der DSM abgeschlossen hat. Während durch die Werberechte in den letzten 15 Jahren insgesamt nur müde 30 Millionen Euro in die dortigen Kommunalkassen – wie soll man sagen: tröpfelten? – ließ sich die Alsterstadt für die nächsten 15 Jahre Einkünfte von satten 508 Millionen Euro aus dem Bereich garantieren. „Der Wettbewerb hat sich für Hamburg gelohnt“, sagte Finanzsenator Michael Freytag (CDU). Ein „hochwertiges Stadtbild“ würde mit „erheblichen Mehreinnahmen“ verbunden, die „den Bürgern in Hamburg zugute kommen“.

Beim DSM-Mutterkonzern Ströer Außenwerbung ist man bemüht, Freytags Darstellung runterzukochen: „Hier werden die beiden Mindesteinnahmen verglichen, das ist irreführend“, sagt Unternehmenssprecher Jörg Lammers. Die 30 Millionen der letzten 15 Jahre seien lediglich die „garantierten Mindesteinnahmen“ gewesen, faktisch aber habe Hamburg seit jeher viel mehr kassiert. „Dass man nach dem Hamburger Vertragsabschlusses anderen Kommunen vorwirft, sie würden sich über den Tisch ziehen lassen, wenn sie nicht auch enorme Zuwächse aushandeln, hat keine Grundlage“, sagt Lammers.

So oder so: Für viele Kommunen hatte der Hamburger Abschluss Signalwirkung. Sie rechneten sich aus, bei den Werberechten künftig richtig abzukassieren. Ob sich diese Hoffnungen erfüllen, ist offen: „Die können das gerne versuchen, es ist aber die Frage, ob sich die Außenwerber darauf einlassen“, sagt ein Branchenexperte, der nicht namentlich genannt werden möchte. „Nicht jede Kommune kann am Markt solche Preisen generieren wie Hamburg.“ Die Verhandlungspolitik der Kommunen werde in der Branche „sehr kontrovers diskutiert“.

Dass man sich auch in Bremen solche Hoffnungen macht, liegt nahe. Hier kalkuliert man allerdings noch recht konservativ. Als am 21. August die Baudeputation über die Neuvergabe der Werbekonzession beriet, schrieb das Bauressort in eine Vorlage, dass mit der neuen Konzession Einnahmensteigerungen „um etwa das 2- bis 2,5-fache“ möglich seien. Auf die nächsten 15 Jahre gerechnet käme man so auf knapp 45 Millionen Euro, wobei jedoch, anders als in Hamburg, die ÖPNV-Werbeflächen separat vermarktet werden. Als „Problem“ identifiziert das Ressort jedoch, dass das hierzu nötige Ausschreibungsverfahren „weder personell noch finanziell mit eigenen Ressourcen“ geleistet werden könne.

Für die immerhin 80 Litfaßsäulen, 245 Plakatgroßflächen, 17 Uhrensäulen, 297 Stadtinformationsanlagen, 28 „Mega-Light“-Anlagen und alle weiteren, womöglich noch zu ersinnenden Werbeträger der Stadt sollte daher eine „Neukonzeption“ her. Die ist nicht umsonst zu haben: 732 200 Euro will sich das Land allein die vorbereitende Studie kosten lassen – für „externe Projektsteuerung“ etwa und anwaltliche Beratung. Vorgestreckt wird die Summe von der Brepark, rückzahlbar durch das Bauressort ab 2011 aus den Einnahmen des neuen Vertrages. Die entsprechende Beratung im Senat steht noch aus, doch nach Angaben des Ressorts werde an diesem Planungsstand festgehalten. Eine große Bremer Tageszeitung hatte dafür kein Verständnis. Sie titelte „Gedankenlosigkeit, Hilflosigkeit“ und ätzte darunter, die „schon lustvolle Neigung zu sündhaft teuren Gutachten“ lasse befürchten, der Behördenapparat sei von „akuter Schwindsucht statt Sachverstand befallen“.

Dabei mag es gute Gründe geben, die bestehenden Werbeträger einer Revision zu unterziehen. Erste Wahl ist Bremen als Marketingstandort derzeit nicht. JC Decaux etwa vertreibt die Werbeflächen der BSAG. Rund 1.350 der so genannten 1,70 Meter hohen „Citylight“-Posterflächen hat die Firma an der Weser im Angebot. Wer diese eine Woche mieten will, muss etwa 78 Euro je Fläche an JC Decaux überweisen. Das ist vergleichweise günstig. In Hamburg verlangt Decaux das Doppelte – und zwar bereits vor Gültigkeit des neuen Vertrages, der erst ab dem 1. Januar 2009 greift. Ähnlich die DSM. Sie kassiert für eines der freistehenden Citylights, etwa in der Obernstraße oder auf der Wilhelm-Kaisen-Brücke, maximal 87 Euro je Woche. In Hamburg kosten vergleichbare Flächen bei der DSM bis zu 116 Euro.

„Hamburg ist eben ein attraktiverer Vermarktungsstandort“, sagt ein DSM-Verkaufsleiter. „Die haben globale Werbetreibende einfach eher im Portfolio als Bremen.“ Wenn internationale Firmen in deutschen Innenstädten werben, dann seien fünf Städte immer dabei: Hamburg, Berlin, München, Köln und Stuttgart. Bremen hingegen sei ein „Zubucher“, eine „Schwellenstadt“. Hinzu komme, dass es in Hamburg – wir auch in Köln – jede Menge Werbeagenturen gebe. „Und wenn man eine nationale Kampagne anschiebt, dann will man die natürlich auch in der eigenen Stadt hängen sehen.“

In Branchenkreisen wird jedoch vor allem auf die Art der in Hamburg dominierenden Werbeflächen verwiesen. Die „hohe Qualität“ führe zu „Rückkopplungseffekten“, heißt es. Gemeint ist: Je nobler die Werbeträger, desto mehr lässt sich rausholen. Glaubt man den Außenwerbern, dann kommt bei den Etatdirektoren angesichts althergebrachter Litfaßsäulen oder Plakatwänden, die noch mit Bürste und Kleister bestückt werden, keine Freude auf. Und eben darauf hätten Städte sich einzustellen. „Natürlich kann man das in der Ausschreibung steuern“, sagt ein Vertreter eines Außenwerbers. Geht man hier nur konsequent genug vor, dann lassen sich sogar Einnahmesteigerungen erzielen, wenn die Zahl der Flächen sinkt. „Wenn eine Kommune sagt, wir möchten zukünftig weniger Flächen und dafür hochwertige, dann muss das keine finanzielle Einbuße bedeuten.“

So geschehen in Hamburg. „Da wird kaum eine alte Säule oder Plakatfläche stehen bleiben“, sagt Ströhr-Sprecher Lammers. Die Stadt habe „jede Menge neuer Produkte zugelassen“. Mit „Produkten“ sind unter anderem die 900 neuen Litfaßsäulen gemeint, die seine Firma in Hamburg aufstellen wird: „Das sind neue Hightech-Säulen mit elektronischer Steuerung, die sich drehen“, sagt Lammers. Der Drehmechanismus lasse die Säulen auffallen: „Immer wenn sich was bewegt, dann gucken die Leute hin.“ Konventionelle Klebeplakatflächen und Litfaßsäulen müssen DSM und JC Decaux abmontieren. Wenn sie damit fertig sind, wird es alles in allem 500 Litfaßsäulen und 300 Klebetafeln weniger in der Stadt geben.

Der Werbewirtschaft zufolge muss diese dafür deutlich in Vorleistung gehen. Die so genannte „Stadtmöblierung“ aufzuhübschen koste richtig Geld. Ohne lange Vertragslaufzeit hätten Kommunen deshalb keinerlei Aussicht auf lukrative Verträge. „Wir verdienen erst ab etwa dem 12. Jahr Geld,“ heißt es bei einem Außenwerber. Bis dahin kassiert nur die Stadt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen