: Retten, was zu retten ist
Streichungen im Kulturhaushalt des Landes Niedersachsen und die Folgen für das lustige Intendanten-wechsel-dich-Spiel. Betrachtungen zur Situation von Wilfried Schulz am Staatstheater Hannover und Norbert Hilchenbach am Stadttheater Osnabrück. Immer Ärger zwischen Stadt und Land
Von Jens Fischer
Der Theaterkunst übel gesinnte Menschen finden sowieso das lustige Spiel vom Intendantensuchen spannender als die Folgen eines Leitungswechsels. Dieses Aufkochen und Verdampfen von Namen in der Gerüchteküche, das Spekulieren in blaue Räume hinein, die flambierte Was-wäre-wenn-Phantasie – köstlich! Und so fragt sich derzeit das Theaterland, wo denn nun der letzte noch nicht über 2005 fest gebuchte Schauspielintendantenstar demnächst einloggt.
Wilfried Schulz hat das von Eberhard Witt und Ulrich Khuon reformierte Schauspiel Hannover endgültig in der Liga der bundesweit beachteten Bühnen etabliert und dabei die Zuschauerzahlen pflichtgemäß gesteigert. Statt Dank erntet er vom Kulturministerium Lutz Stratmanns nur Einspargebote von jährlich 2,7 Millionen Euro für die drei Sparten des Hauses. Ministeriumssprecher Thomas Reiter nennt es „Strafsparen für ehemalige Etatüberziehungen“. Seit Beginn dieses Jahres wurde die staatliche Unterstützung auf 46,37 Millionen Euro gesenkt.
Kündigungen drohen, und der Fortbestand der beiden Ballhof-Bühnen mit den experimentelleren Produktionen sowie der Jugendtheatersparte ist in Gefahr. Das müsse erhalten bleiben, warf Schulz in die Spardebatte. Derweil versuchte Stratmann vergeblich, die am Theater-Etat nicht beteiligte Stadt für für den Ballhof finanziell zu engagieren. Nachdem auch noch Opern-Intendant Albrecht Puhlmann seinen Wechsel nach Stuttgart angekündigt hatte, versuchen Stratmann und Schulz jetzt gemeinsam zu retten, was zu retten ist.
Während Puhlmann die Karrieretreppe hochfällt, hatte Schulz vergeblich damit gepokert, nach Zürich oder Hamburg gehen zu können. Aber Matthias Hartmann und Friedrich Schirmer wurden ihm vorgezogen. Nun gibt es ab 2005 nur noch in Stuttgart oder Bochum vakante Intendanzen, um aufzusteigen. Von dort heißt es allerdings, Schulz sei vorerst nicht erste Wahl. Für nächste Woche wird daher ein Ergebnis der Verhandlungen Schulz/Stratmann erwartet.
Ein anderer Intendant Niedersachsens, Norbert Hilchenbach in Osnabrück, hat bereits das Handtuch geschmissen. Während etwa in den Staatstheatern Braunschweig und Oldenburg die Chefs mit Kürzungen von 325.000 Euro beziehungsweise 260.000 Euro weitermachen werden, wollte Hilchenbach die Einsparungen der Stadt von einer halben bis einer Million pro Jahr nicht mitmachen. 2005 scheidet er aus. Das Stadttheater Osnabrück hat einen Jahresetat von 14 Millionen Euro, acht Millionen spendiert die Stadt, dreieinhalb Millionen das Land und 500.000 der Landkreis. „Vom Land sind schon seit 1997 jährlich 170.000 Euro weggespart worden“, erklärt Hilchenbach die Tatsache, nicht noch eine weitere Millionenkürzung hinnehmen zu können. Außerdem verärgerte ihn die hilflose Debatte bei den Verantwortlichen, die nach seinem Ausscheiden keinen neuen Intendanten, sondern nur einen kaufmännischen Direktor berufen wollten. Ein Modell, das schon in Pforzheim, Dortmund und Nordhausen probiert und vom Deutschen Bühnenverein kritisiert wurde.
Davon nahm man jetzt auch in Osnabrück Abstand, sucht einen neuen Intendanten ohne Geschäftsführungsfunktion, also ohne finanzielle Verantwortung. Eine originelle Variante. Eine Chance für Schulz? Eher nicht. Hat der doch immer noch einen Koffer in Berlin, würde in Hannover gern noch zwei Jahre dranhängen, so munkelt‘s, um anschließend Claus Peymann am Berliner Ensemble zu beerben. So ist das eben im lustigen Spiel der Intendantenwechselei. Schwer unterhaltsames Stück, Szene-Geflüster in angenehm improvisierter Inszenierung. Happy End? Nie und immer.
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