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Otto Schilys Stil stößt auf Befremden

Die Regierungskoalition ärgert sich über den Innenminister. Schily habe den Umzug des BKA beschlossen, ohne sich mit Parteifreunden zu beraten. Die Union findet den Ortswechsel zu teuer, der Grüne Volker Beck hält ihn für unnötig

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Otto Schily hat Spaß daran, Freund und Feind gleichermaßen zu verwirren. „So isser halt“, hieß es bisher von Koalitionspolitikern, wenn der Innenminister wieder einmal mit einem Alleingang überraschte. Schilys Umzugspläne für das Bundeskriminalamt (BKA) sorgen nun für echten Ärger. Zum ersten Mal wird der starke Mann in Gerhard Schröders Kabinett auch von Parteifreunden offen kritisiert.

„Diesen Sturm der Empörung hätte er sich durch ein anderes Informationsverhalten ersparen können“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, der taz. „Ich glaube aber, das hat er inzwischen selbst begriffen.“

Im Innenausschuss des Bundestags soll Schily gestern eingeräumt haben, die „leidenschaftliche Reaktion“ der Mitarbeiter des BKA „unterschätzt“ zu haben. Um die Gemüter zu beruhigen, versprach der Innenminister, die Umzugspläne würden noch einmal – und zwar „ergebnisoffen“ – geprüft.

Vor einigen Tagen hatte das noch ganz anders geklungen. Da kündigte Schily völlig überraschend an, einen großen Teil der BKA-Zentrale von Wiesbaden nach Berlin verlegen und den Standort Meckenheim bei Bonn mit seinen 1.200 Mitarbeitern komplett schließen zu wollen.

Die Empörung in der Koalition bezieht sich vor allem auf die Vorgehensweise Schilys, der vor seiner Ankündigung offenbar weder mit seinen Ministerkollegen noch mit seiner Fraktion, geschweige denn mit den betroffenen Behörden gesprochen hatte. Das Verhalten des Ministers sei „nicht angemessen“, schimpfte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt. Im SPD-Präsidium am Montag und in der Fraktionssitzung am Dienstag gab es lautstarke Kritik am Vorgehen Schilys. Sogar Fraktionschef Franz Müntefering soll sich zu Wort gemeldet haben. „Auf diese Weise geht man nicht mit der Öffentlichkeit, mit Beschäftigten und mit der Fraktion um“, sagte Müntefering nach Angaben von Teilnehmern. „So etwas habe ich noch nie von einem SPD-Fraktionschef über einen amtierenden Minister gehört“, zitierte die Neue Osnabrücker Zeitung einen Abgeordneten.

Schilys Rückzieher ist also auf den Widerstand der betroffenen Parteipromis zurückzuführen. Müntefering und NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) etwa setzen sich für den Standort Meckenheim ein, weil sie bei einer Schließung negative Folgen für die kommenden Kommunal- und Landtagswahlen befürchten.

In der einhelligen Aufregung über das einsame Solo des Ministers ging eine Frage beinahe unter: ob Schilys Umzugspläne sachlich vernünftig sind oder nicht. Darüber scheiden sich die Geister. Die Union wirft Schily „Zentralisierungswahn“ vor und verweist auf die hohen Kosten eines Umzugs. Für den SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz dagegen ist es „unstreitig“, dass das BKA Berlin gestärkt werden muss. „In der Grundtendenz kann das niemand in Frage stellen.“ Wirklich nicht? Der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck meint jedenfalls, ein Umzug sei „fachlich nicht geboten“. Ob das BKA von Berlin oder Meckenheim aus arbeite, sei „egal“. Der Grünen-Politiker erklärte: „Wir halten es für verzichtbar, dass das Bundeskriminalamt umzieht.“

Für die CDU/CSU erklärte Fraktionsvize Wolfgang Bosbach in der aktuellen Stunde des Bundestags laut Redetext, die Union lehne die Absicht des Innenministers ab, „die bewährte, dezentrale Organisation des BKA zu zerschlagen“. Durch den „Umzugsaktionismus“ des Ministers könnten Sicherheitslücken nicht geschlossen werden, „im Gegenteil“. Gegenüber der taz sagte Bosbach, Schily betreibe „Politik nach Gutsherrenart“. Sein Vorgehen zeige, „was er von seinen SPD-Fachkollegen hält: nichts“.

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