piwik no script img

Käse-Import im Kofferraum

Lebensmittel aus Polen haben es immer noch schwer in Berlin. Nicht nur, weil sie hierzulande kaum bekannt sind. Auch die Geschmäcker unterscheiden sich noch

Hand aufs Herz. Schon mal Kiełbasa, polnische Wurst, zu Hause aufgetischt? Oder Serek, den weißen Frischkäse? Herzhaften Räucherschinken von glücklichen Schweinen oder den Oscypek, jenen salzigen Räucherkäse aus der Tatra, der von der Brüsseler EU-Kommission die Weihen einer geschützten regionalen Spezialität bekommen hat?

Noch nicht? Dann sind Sie nicht nur ein typischer deutscher Verbraucher, sondern auch ein Vertreter jener Zielgruppe, die die 35 polnischen Aussteller auf der Grünen Woche im Visier haben. Nachdem die Zahl der Aussteller aus dem Nachbarland in den vergangenen Jahren zurückgegangen war, haben polnische Firmen wie der Milchprodukte-Hersteller „Jana“ aus Środa Wielkopolska die Ausstellungsfläche im Beitrittsjahr nahezu verdreifacht. Rein in die EU, das soll nicht nur für das Land selbst gelten, sondern auch für die landwirtschaftlichen Produkte und Nahrungsmittel von Stettin bis Krakau.

Das allerdings ist nicht einfach, wie Marianna Klon berichtet. Die Inhaberin des polnischen Spezialitätengeschäfts in der Pestalozzistraße kann ein Lied davon singen, wie schwer sich Deutsche mit polnischen Wurstwaren tun. „Viele kennen unser Land nicht und haben Vorurteile. Bei mir kauft zum Beispiel eine polnische Kundin Wurst für ihren deutschen Mann. Aber einen Kassenbon und die Plastiktüte darf er nicht finden, denn Wurst aus Polen würde er nie essen“, sagt Klon.

Und nicht nur der Geschmack bleibt in Zeiten fallender Grenzen eine unsichtbare Handelsschranke, sondern auch die mangelnde Bekanntheit polnischer Produkte, sagt Alexander Markus von der Wirtschaftsförderung Berlin International. Das hat vor allem Auswirkungen auf die Einkaufspolitik der großen Handelsketten. „Ohne breit angelegte Werbemaßnahmen für ihre Produkte haben die Hersteller kaum eine Chance, bei den großen Handelsketten in die Regale zu kommen“, sagt Markus. Bestes Beispiel dafür ist die Kaiser’s-Tengelmann-Gruppe. Außer dem Frischkäse „Radamer“ aus Masuren ist bislang wenig von der Westerweiterung polnischer Marktchancen zu spüren. Und daran wird sich wohl so schnell auch nichts ändern. „Wir sind in Verhandlungen mit einigen Anbietern aus dem Frischwarenbereich“, heißt es dazu aus der Kaiser’s-Zentrale im westdeutschen Viersen. Näheres will man nicht verraten. Oder man kann es nicht. Der Umsatzanteil von polnischen Produkten wird bei Kaiser’s-Tengelmann nicht gesondert errechnet. Vom Niederrhein ist es eben noch ein weiter Weg nach Polen.

Umgekehrt auch. Zwar gehen rund 23 Prozent des polnischen Exports von Agrarprodukten und Nahrungsmitteln nach Deutschland. Davon aber nehmen Milchpulver, Geflügel und Beeren noch immer die vorderen Plätze ein. Einzelne Marken haben es da schwer. Und ein Direktmarketing existiert so gut wie gar nicht. Dabei kann es polnischer Apfelsaft an Qualität durchaus mit der brandenburgischen Konkurrenz aufnehmen, zumal ein Großteil der Betriebe östlich der Oder schon heute die Kriterien für ökologischen Anbau erfüllt. Aber da sind natürlich auch die anderen Kriterien – die aus Brüssel. Und die besagen, dass es ohne EU-Standard keine Exportlizenz gibt.

Keine einfache Sache also, auch nicht für die 35 Aussteller aus Polen, die über eine Exportlizenz verfügen. Vielleicht schauen die sogar mit ein bisschen Neid auf die Hersteller und Importeure aus Russland, die die immer zahlreicher werdenden russischen Spezialitätengeschäfte in Berlin beliefern. Aber anders als bei den in Berlin lebenden Russen lässt sich mit der polnischen Community kaum ein Geschäft machen. Der Grund ist nahe liegend: Rein mit Kiełbasa, Serek und Oscypek in den Kofferraum und ab nach Berlin. Diesen Weg nehmen polnische Produkte immer noch viel häufiger als den in die Regale der Supermärkte. UWE RADA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen