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Warten auf das Kinder-Geld

Ein halbes Jahr und länger müssen bedürftige Eltern auf den städtischen Zuschuss zum Kindergartengeld warten. Ihre Erfahrung: Anträge bearbeitet das Amt erst nach massivem Druck. „Das dürfte nicht mehr vorkommen“, sagt die Behörde

Bedürftige müssen den Kita-Beitrag aus eigener Tasche vorfinanzieren.„Ich wurde über Monate immer wieder vertröstet – es war furchtbar“

taz ■ Anne Reckers wollte eigentlich Geld, nicht Aktenberge sehen. „Schauen Sie sich diesen Stapel an“, bekam die Mutter eines vierjährigen Mädchens zur Antwort, als sie auf dem Jugendamt nachfragte, wann sie denn endlich den Zuschuss zum Kindergarten-Geld für ihre Tochter bekomme. Alle notwendigen Unterlagen hatte sie eingereicht, längst forderte der Kindergarten den monatlichen Beitrag. Nur vom städtischen Zuschuss war auf dem Konto nichts angekommen – über ein Jahr lang. Reckers wütend: „In diesem Amt passiert überhaupt gar nichts.“

„Das Problem haben wir immer wieder“, sagt Barbara Küster vom Verbund Bremer Kindergruppen. Während bei städtischen Kindergärten Eltern mit geringerem Einkommen auch nur einen mehr oder weniger ermäßigten Beitrag zahlen, verlangen privat organisierte Kindergruppen, Tagesmütter und Krabbelgruppen von den Eltern erst einmal den vollen Preis. Als Ausgleich bekommen diese dann vom Jugendamt einen Zuschuss – je nach Einkommen der Eltern und den Kosten für den Kindergartenplatz bis zu 300 Euro pro Monat.

Soweit die Theorie. Denn statt die so genannte „wirtschaftliche Jugendhilfe“, wie vorgesehen, am Anfang eines Monats zu überweisen, schafft es das Jugendamt in manchen Fällen nicht einmal, den Antrag auch nur zu bearbeiten. Alleinerziehende wie Anne Reckers müssen den vollen Preis für die Betreuung aus der eigenen Tasche vorfinanzieren. „Gerade die Leute, die wirtschaftliche Jugendhilfe beantragen, brauchen doch das Geld“, wundert sich Küster. Wenn das Amt trödle und die Anträge nicht bearbeite, „dann geht das oft über die finanziellen Möglichkeiten der Betroffenen“.

Reckers konnte das am eigenen Leib erfahren. Erinnerungsschreiben zeigten keine Wirkung, telefonisch blieb sie in irgendeinem Vorzimmer des Sozialzentrums stecken. „Wir wissen nicht, wann das bearbeitet wird“, beschied man ihr. Die zuständigen Sachbearbeiter bekam sie nicht ans Telefon. „Über Monate hat man mich immer wieder vertröstet“, sagt Reckers: „Das war einfach furchtbar.“

„Vor allem letzten Herbst gab es Probleme“, gibt Klaus Krancke, Sprecher im Sozialressort zu. Mehrere MitarbeiterInnen des Jugendamtes seien krank gewesen. Nach Beschwerden habe man aber Aushilfen angestellt, inzwischen seien alle Fälle abgearbeitet. Sollte es immer noch „irgendwo haken“, helfe der Bürgerbeauftragte des Amtes weiter (☎ 361-88 02). Krancke zuversichtlich: „Das sollte dann klappen.“

Auch Andrea Schnell (Name geändert), alleinerziehende Mutter eines fünfjährigen Sohnes, musste den Kindergarten monatelang komplett aus der eigenen Tasche bezahlen. Bei ihr weigerte sich die Behörde sogar, für den Monat Juli überhaupt einen Zuschuss zu zahlen. Der Kindergarten habe im Sommer sowieso drei Wochen geschlossen, so die Begründung. Geld gebe es aber nur, wenn tatsächlich Kinder betreut würden. „Ich muss auch im Juli meinen Beitrag zahlen“, empört sich Schnell. Schließlich hätten auch Erzieherinnen Anspruch auf bezahlten Urlaub.

Richtig, sagt Behörden-Sprecher Krancke. Wenn die Kindertages-Einrichtungen zwölf Monate lang Beitrag verlangten, hätten die Eltern auch zwölf Monate Anspruch auf den Zuschuss. Bekämen sie den nicht, „muss da ein Fehler vorliegen.“

Anne Reckers wurde irgendwann persönlich beim Jugendamt vorstellig – zumindest teilweise mit Erfolg. Ein paar Tage nach ihrem Besuch bei der Sachbearbeiterin hatte sie den Zuschuss für das inzwischen vergangene Kindergarten-Jahr, insgesamt mehrere hundert Euro, auf dem Konto. Nur über ihren Hilfe-Antrag für das laufende Jahr, damals direkt vor den Augen der Jugendamts-Frau ausgefüllt, hat die Behörde noch nicht entschieden – seit sechs Monaten. Armin Simon

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