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Wer sich in Gefahr begibt

Alle Journalisten sollten bis heute ausreisen – der Krieg gegen den Irak kann jederzeit beginnen. Doch einige TV-Reporter wollen bleiben und trotz Bombenwarnung weiter aus dem Krisengebiet senden

von AGNES CIUPERCA

Das Ultimatum, das der US-amerikanische Präsident George W. Bush Saddam Hussein und seinen Söhnen gesetzt hat, betrifft auch alle Journalisten. Bush betonte in seiner Rede zur Lage der Nation, dass Medienvertreter und UN-Waffeninspektoren das Land verlassen müssten. In 48 Stunden, spätestens aber Mittwochnacht (MEZ) läuft die gesetzte Frist aus, und dann wollen die USA und ihre Verbündeten den Irak „zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl angreifen“.

Wie die taz berichtete, sollen die Hotels der Journalisten in Bagdad ebenfalls Ziel der Bombardements sein. Kommunikationsanlagen der irakischen Regierung und der Streitkräfte werden in den Unterkünften der internationalen Fernehteams und Printjournalisten vermutet. Jörg Armbruster, Korrespondent für die ARD, hat gestern früh im Morgenmagazin seine letzte Liveschaltung angekündigt. Der Nachrichtensender N 24, der für die gesamte Sendergruppe von Sat.1 und Pro 7 aus der irakischen Hauptstadt berichtet, erwägt ebenfalls eine verlängerte Stationierung der N 24-Reporterin Katrin Sandmann. Seit Januar beliefert sie die ehemaligen Kirch-Sender mit Hintergrundmaterial und Liveberichten. Am Montag erst hatte sich N 24 dafür entschieden, sie in Bagdad zu lassen. Mit seinem Ultimatum hat Bush neue Tatsachen geschaffen, über die beim Sender nun neu beraten werden muss: „Wir entscheiden innerhalb der gesetzten Frist, ob sie bleibt oder besser aus dem Irak ausreist“, sagt Thorsten Pütsch, Sprecher des Nachrichtensenders.

Ulrich Tilgner vom ZDF bleibt vorerst im Krisengebiet, doch hat er gestern früh dem Sender mitgeteilt, dass er sich eine andere Unterkunft als das gefährdete Journalistenhotel Al-Rachid suchen wird. Einen völligen Abzug hat der ZDF-Mann bisher noch nicht in Erwägung gezogen. „Er kann selbst am besten beurteilen, wie gefährlich es da unten für ihn ist“, erklärt der Sprecher des ZDF, Walter Kehr: „Wenn er sagt, dass er rauswill, dann kann er auch jederzeit.“

RTL, das auch den angeschlossenen Nachrichtensender n-tv mit aktuellen Fernsehbildern beliefert, ist vor Ort von Antonia Rados vertreten. Bis auf weiteres wird auch sie in Bagdad bleiben, heißt es in der Senderzentrale. „Sie ist eine mit Krisensituationen erfahrene Reporterin“, beteuert Matthias Bohlhöfer, RTL-Sprecher, schränkt aber auch gleich ein: „Kein Bild ist so wichtig, dass es ein Leben wert ist.“

Weitaus geschützter sind die Korrespondenten, die sich unter den US-Truppen befinden und mit diesen in das Kriegsgebiet vorrücken werden. Auf den Flugzeugträgern „Truman“ und „Roosevelt“, die vom östlichen Mittelmeer aus Flugzeuge entsenden, haben sich Jay Tuck (NDR), Roland Strumpf (ZDF) und Lothar Keller (RTL) einquartiert. Zusammen mit den Bodentruppen im US-Wüstencamp in Kuwait ist Guido Schmidtke von N 24 als so genannter eingebetteter Korrespondent unterwegs. Uli Klose von RTL hat sich einem US-Panzerbataillon angeschlossen.

Der Reporteraufmarsch in den umliegenden Ländern ist schon seit Tagen abgeschlossen. Aus Amman senden: Walter Heinz (ZDF), Volker Albers, der auch über ein Irakvisum verfügt (RTL/n-tv), Ute Bruckner (ARD) und Steffen Schwarzkopf (N 24). In Kuwait stehen an der „Medienfront“ Marc Kohlbecher und, seit kurzem, Christoph Sagurna (RTL), Alexander Stenzel (ARD) und Halim Hosny (ZDF).

Katar ist mit den Fernsehjournalisten Carlo Schlender (RTL/n-tv), Olaf Buhl (ZDF) und Peter Puhlmann (ARD) besetzt. Außerdem sind die für die Nahost-Berichterstattung zuständigen Reporter in Jerusalem und Tel Aviv untergebracht: Carsten Thurau (ZDF), Ulrich Sahm (RTL/n-tv), Monique Juncker (N 24), Peter Dutzig und Dieter Sinnhuber (ARD) und Alexander von Sobeck für das ZDF.

Zurzeit mehren sich Hinweise, dass möglicherweise der Irak selbst die Korrespondenten ausweisen wird. Wolfgang Utz, SWR-Sprecher, befürchtet eine „Willkür des Staates“. „Krieg ist auch Kriegsführung mit Bildern“, beschreibt er die gegenwärtige Lage.

Alle Sender haben ihre Kriegskorrespondenten jedoch auf einen Angriff vorbereitet und sie vor ihrem Einsatz in ein Krisenausbildungscamp zu den „Pilgrims“, der Spezialeinheit Special Air Service (SAS), nach London geschickt. „Sie haben gelernt, wie sie sich in Konfliktsituationen verhalten müssen“, sagt Walter Kehr.

Jetzt haben alle Journalisten Gasmasken bei sich, für den Fall eines Angriffs mit Chemiewaffen. Eine andere Strategie, um sich zu schützen, sei der ständige Ortswechsel, so Thorsten Pütsch vom Nachrichtenkanal N 24. „Die Kollegen sind immer auf der Suche nach neuen Hotels.“ Oder, wahlweise, nach stabilen Bunkern.

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