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Nur wo Schill draufsteht, ist Schill drin

Hamburgs Landeswahlausschuss hat entschieden, wer zur Bürgerschaftswahl antreten darf. Partei Rechtsstaatlicher Offensive verzichtet nach Rechtsstreit auf ihr schillerndes Kürzel, Adel verpflichtet Ole und Dragqueen Olivia Jones will Jugend und Spass

von PETER AHRENS

Die Zuschauer sind erst einmal enttäuscht. „Hier ist ja niemand, den man kennt“, stellt eine entrüstet fest, als sie den Blick über die Parteienvertreter schweifen lässt. Kein Ole, kein Schill, nicht einmal ein Mettbach, dafür aber der Vertrauensmann der Partei Bibeltreuer Christen, der die Presseleute mit Broschüren penetriert – stets mit dem Hinweis, „damit Hamburg nicht wie Sodom endet“. Dies ist die Stunde der Exoten, wenn der Landeswahlausschuss offiziell tagt, um festzulegen, welche Partei zur Bürgerschaftswahl am 29. Februar antreten darf und welche nicht. Fazit: Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive darf sich nicht Schill nennen, Einzelkämpfer Jörg Karisch bleibt außen vor, und Dragqueen Olivia Jones will „Ehrlichkeit in den Wahlkampf einbringen“. Es wird eine gute Wahl.

Oranger Fummel, rosa Schirmchen – zumindest die FotografInnen hatten ihr Motiv und konnten sich an der Einzelbewerber(in) Oliver Knöbel, besser bekannt als Olivia Jones, abarbeiten. Bereitwillig gab Olivia ihre Statements dazu, dass „sie den Ruf Hamburgs als weltoffene Stadt wieder herstellen will, Schill verhindern und junge Leute wieder an die Urne holen möchte“, wie sie den dankbar mitnotierenden JournalistInnen in die Blöcke diktierte. „Ich habe den Vorteil, dass die Leute denken, ich könne nicht bis drei zählen und somit nur angenehm im Wahlkampf überraschen“, sagt sie. Und dass „Politik auch Spaß machen kann“.

Der Spaß war den erschienenen Leuten von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive schon vorher vergangen. „Wir verzichten auf die Kurzbezeichnung Schill“, trotzte sich ihr Vertrauensmann Matthias Käufl eine kurze Erklärung ab und überließ damit der Konkurrenz des ehemaligen Parteiübervaters Ronald Schill das Feld.

Bereits am Donnerstag hatte das Oberlandesgericht der Pro-DM/Schill-Partei das Recht zugesprochen, den Zusatz „Schill“ zu tragen, woraufhin der Ex-Innensenator eine einstweilige Verfügung gegen seinen früheren Club beantragt hatte, die den Nockemanns und Frühaufs das Etikett Schill untersagen soll. Die Getreuen von Ronald Schill, die Parlamentarier Richard Braak und Bodo Theodor Adolphi, liefen denn auch gestern mit geschwellter Brust durch den Sitzungssaal, von künftigen Abgeordneten-Diäten träumend.

Während die Einzelbewerber Jörg Karisch und Danilo Blank nicht zur Wahl zugelassen wurden, da sie zu wenig Unterstützer-Unterschriften beigebracht hatten, gingen die übrigen Anträge unbeanstandet durch.

Aufatmen kann auch die SPD. Landeswahlleiter Herbert Neumann verkündete, als der Antrag der Sozialdemokraten durchgewunken wurde: „Damit ist die SPD zur Wahl 2001 zugelassen.“ Vielleicht lässt sich ja nachträglich auch noch ein Sieg erreichen.

Keinen Sieg über die formalen Bestimmungen des Wahl- und Melderechts konnte dagegen Bürgermeister Ole von Beust vermelden. Gegen seinen ursprünglichen Wunsch wird er auf dem Wahlzettel als „Ole Freiherr von Beust“ firmieren. Auf den Adelstitel hätte von Beust lieber verzichtet.

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