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Börsen mit Kriegsgewinn

Trotz einer warnenden Rede von US-Präsident Bush steigen die Kurse. Zuwachs bei Automobil- und Maschinenbau

aus Frankfurt/MainKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Schon die Ankündigung des Krieges hatte weltweit für eine erste Euphorie unter den Anlegern gesorgt. Die Aktienkurse stiegen, und der Rohölpreis fiel. Gestern nun ließ die Realität des Krieges gegen den Irak die Kurse an denjenigen Börsen, die zur Angriffszeit (3.30 Uhr MEZ) ihre Pforten geöffnet hatten, erst so richtig in die Höhe schnellen.

Von den Handelsplätzen in Sydney, Singapur und Djakarta wurden nur wenige Minuten nach dem Bomben- und Raketenangriff auf Bagdad Zuwachsraten der Indizes von über drei Prozent vermeldet. „Es wird überall gekauft“, sagte ein Sprecher der Börse in Sydney. Australien gehört zur Allianz der USA im Krieg gegen den Irak. In Seoul legte der koreanische Index Kospi gar um 4,9 Prozentpunkte zu. Und auch die kränkelnde japanische Börse in Tokio zog mit nach oben: plus 3 Prozent.

Doch als dann Bush im US-Fernsehen nur wenig später davon sprach, dass der Krieg im Irak vielleicht schwieriger als erwartet werde und deshalb auch lange dauern könne, begann die Euphorie der Anleger in Asien und Ozeanien zu verfliegen. Der japanische Nikkei-Index schloss mit einer Zuwachsrate von nur noch 1,79 Prozent auf 8.195 Punkte ab. Und auch in Hongkong gab der Hang Seng Index gegen Börsenschluss wieder nach. Übrig blieb noch ein Zuwachs von 0,39 Prozent. Von „großer Nervosität“ unter den Anlegern in den fernöstlichen Handelsmetropolen war danach die Rede.

In Deutschland dümpelte der Index DAX zunächst vor sich hin. „Alle schauen Fernsehen“, so ein Börsensprecher. Am späten Vormittag drehte dann aber auch der DAX in die Gewinnzone – um mehr als ein Prozent auf 2.644 Punkte. Gefragt waren vor allem Aktien der Automobil- und Maschinenbaukonzerne, aber auch Werte von Groß- und Einzelhandelsketten. Eingebrochen dagegen sind Versicherungswerte – vor allem die Papiere des Allianz-Konzerns.

Alles nachvollziehbare Entwicklungen im Angesicht des Krieges? Händler bezweifeln das. Schließlich habe gerade die Allianz AG gestern auch eine miserable Bilanz für das Geschäftsjahr 2002 vorgelegt und eine Kapitalerhöhung angekündigt. Und dass die Aktien der Deutschen Lufthansa um mehr als drei Prozent zulegten, passe auch nicht ins Bild. Tatsächlich hatten Analysten der deutschen Airline für den Kriegsfall einen Kursverfall prognostiziert.

Gegen Mittag sprachen die Börsianer von einer „insgesamt eher abwartenden Haltung der Anleger“ – wie immer, wenn die Kursentwicklung uneinheitlich ist. Und weltweit ist der Trend genau so uneinheitlich. Von einem Run auf die Aktien etwa von Konzernen, zu denen auch Rüstungsbetriebe gehören, kann nicht mit Bestimmheit die Rede sein, auch wenn Automobil- und Maschinenbauwerte in Deutschland ein Indiz dafür sein könnten. Leicht erklärlich ist nur, dass die Aktien der Ölkonzerne wegen der rapide gefallenen Rohölpreise überall Kurseinbußen hinnehmen mussten.

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