: Unternehmen geraten in die Kreditklemme
Eine aktuelle Umfrage belegt: Die Banken in Deutschland wollen vorsichtiger vorgehen, wenn sie Darlehen an Firmen vergeben. Trotz des 500-Milliarden-Rettungspakets der Bundesregierung – oder gerade deshalb. Viele Unternehmen könnten dadurch vor fast unlösbaren Problemen stehen. Wie es besser ginge, zeigen Frankreich, Italien und Spanien
BERLIN taz ■ Es hat länger gedauert als in anderen Euroländern, aber nun spüren es die deutschen Unternehmen auch: Es wird schwieriger für sie, von den Banken Kredite zu bekommen. Noch gibt es nur wenige Einzelunternehmen, die öffentlich berichten, dass ihnen Kreditlinien gekündigt wurden. Der Stroemfeld-Verlag, der kürzlich den abschließenden 20. Band der Frankfurter Hölderlin-Ausgabe herausgebracht hat, ist so eines. 100.000 Euro muss Verleger K. D. Wolff plötzlich anderweitig auftreiben. Er hofft dabei auf die Solidarität der VerlagsfreundInnen – sie sollen Bücherpakete kaufen, Darlehen an den Verlag geben oder spenden.
Aber auch andere Unternehmen sollten sich auf ähnliche Probleme einstellen. Denn wie die jüngste Umfrage der Bundesbank zeigt, schränken immer mehr Banken ihre Kreditvergabe ein. Im laufenden Quartal wolle jedes zweite Finanzinstitut die Bedingungen verschärfen, zu denen es Geld an Unternehmen verleiht, heißt es im jetzt veröffentlichten Bank Lending Survey für Deutschland von Oktober.
Kommunen spüren die restriktivere Vergabepraxis schon länger. Der Ludwigshafener Kämmerer Wilhelm Zeiser berichtete öffentlich, dass die Stadt Schwierigkeiten habe, eine Finanzierung für eine Millioneninvestition in ein kommunales Unternehmen zu bekommen. Begründung der Banken: Sie bekämen selbst kein Geld mehr.
Tatsächlich leihen sich die Banken untereinander immer weniger. Stattdessen parken sie ihr Geld über Nacht sicher bei den Notenbanken. Ende vergangener Woche erreichte diese sogenannte Einlagefazilität bei der Europäischen Zentralbank (EZB) ein Rekordvolumen von 297,4 Milliarden Euro. Das ist fast sechsmal so viel, wie es noch vor wenigen Wochen die Regel war. Mit der Folge, dass der Geldmarkt praktisch ausgetrocknet ist – schließlich bleibt nicht mehr viel, was zwischen den Instituten hin und her fließen kann.
Diese Zuspitzung – die in einem Abschwung immer abzusehen ist – hatte die Bundesregierung mit ihrem immerhin fast 500 Milliarden Euro teuren Bankenrettungspaket eigentlich verhindern wollen. Immerhin steht ein Großteil des Geldes für Garantien bereit, mit denen genau der Interbankenverkehr abgesichert werden soll. Nun haben zwar mit der BayernLB, der HSH Nordbank, der Hypo Real Estate und der Commerzbank die ersten Finanzhäuser zugegriffen und weitere Interesse angemeldet. Offenbar nutzen die Institute das Geld aber in erster Linie, um ihre Eigenliquidität zu stärken.
Was die Kreditvergabe angeht, haben sie andere Pläne. Der Umfrage der Bundesbank zufolge hatten vor drei Monaten erst vier Prozent der Banken ihre Kreditkriterien verschärft, inzwischen ist es jedes dritte Institut. Mit diesem rasanten Anstieg rücken die deutschen Banken näher an ihre Wettbewerber im Euroraum. Dort sind inzwischen fast zwei von drei Banken restriktiver geworden, während es Ende Juni noch 43 Prozent waren. Jetzt kündigt jede zweite Bank an, im kommenden Quartal an der Schraube zu drehen. Eine restriktivere Kreditvergabe zeigt sich unter anderem darin, dass darlehensuchende Unternehmen erheblich mehr Informationen als bislang liefern müssen, um Geld zu bekommen. Oder dass sie höhere Zinsen zahlen müssen. Oder beides. Derzeit sind laut der Umfrage vor allem größere Unternehmen betroffen. Logisch: Für die Banken sind größere Kredite problematischer, da sie womöglich über den darniederliegenden Kapitalmarkt refinanziert werden müssen.
Die Regierung hat es sich selbst unnötig schwergemacht, hier gegenzusteuern. Sie kann die Mittelvergabe aus ihrem Bankenrettungspaket zwar daran knüpfen, dass dafür auch wieder Kredite an Unternehmen gehen sollen – konkret festgeschrieben ist das aber nicht. Selbst bei dem Vertrag mit der Commerzbank, die 8,2 Milliarden Euro an stillen Einlagen vom Staat bekommt, gibt es zwar „eine Art Grundverständnis, dass die Kredite an Mittelständler weiter fließen sollen“, wie es im Handelsblatt heißt – aber keine feste Quote.
Wie es besser gegangen wäre, zeigt der Blick ins europäische Ausland. In Frankreich muss sich jede Bank, die auf das dort 320 Milliarden Euro umfassende Rettungspaket zugreift, verpflichten, das Volumen der Kredite für Unternehmen, Gemeinden und Privatleute um drei bis vier Prozent jährlich zu erhöhen. Ähnlich ist es in Italien. Und in Spanien bekommen Banken nur dann günstigere Refinanzierungen aus dem Regierungsfonds, wenn sie zuvor entsprechende Kredite vergeben haben.
BEATE WILLMS
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