kommentar: Hilfsorganisationen werden missbraucht
Wie wenig den USA und Großbritannien am Völkerrecht liegt, beweisen sie mit ihrem Krieg gegen den Irak seit einer Woche. Hunderte von Zivilisten sind offenbar schon getötet worden, tausende verletzt oder auf der Flucht. Von Tag zu Tag wird deutlicher: Die Iraker brauchen dringend Hilfe von außen.
Und was passiert? Im UN-Sicherheitsrat streitet man so vehement wie ergebnislos über das „Öl für Lebensmittel“-Programm. Und im Irak selbst verhindern Briten und Amerikaner, dass die internationalen Hilfsorganisationen unabhängig arbeiten. Stattdessen entscheiden Militärs, wann jetzt endlich Lebensmittel geliefert werden und welche Patienten behandelt werden dürfen. Die Maßnahmen koordiniert ein „Humanitarian Operations Center“, das die Verbündeten in Kuwait eingerichtet haben. Das ist schon im Vorfeld des Krieges zu Recht von Organisationen wie Medico International kritisiert worden. Denn mit der Arbeit unter Leitung des Militärs werden die neutralen Organisationen zu Kombattanten gemacht. Ihnen bleibt keine Wahl: Sie müssen mitmachen, um den Opfern zu helfen.
Die USA und Großbritannien verstoßen mit ihrem Verhalten erneut gegen das Völkerrecht. Ja, sie benutzen die Hilfsorganisationen in einem Maße, wie das in keinem Krieg bisher geschehen ist. Die Helfer sind für sie nicht mehr dazu da, das menschliche Leid zu lindern, geschweige denn, sich gegen den Krieg als Ursache dieser humanitären Katastrophe zu engagieren. Im Gegenteil: Sie sollen den Krieg scheinbar humanisieren. Dies ist eine skandalöse Instrumentalisierung der Hilfsorganisationen und eine Militarisierung der Hilfe. Die fatale Folge: Im Grunde müssen die Helfer die Kriegsführung legitimieren.
Im Irakkrieg wird außerdem ein Strukturwandel von Hilfe offenbar, mit dem sich alle Hilfsorganisationen auseinander setzen müssen. Statt einer Hilfe, die dazu dient, die Ursachen von Not und Unmündigkeit zu überwinden, droht Hilfe zum Reparaturbetrieb globaler Sicherheitspolitik zu verkommen.
Humanitäre Hilfe muss unparteiischen Organisationen überlassen bleiben, und die Konfliktparteien müssen ihnen so bald wie möglich Zugang zur irakischen Bevölkerung ermöglichen. Jahrelang hat Saddam Hussein unabhängige Hilfe für die Menschen im Irak fast unmöglich gemacht, jetzt scheinen die Amerikaner und Briten in ihrem schmutzigen Krieg das Gleiche zu tun.
DANIEL HAUFLER
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