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Nach Gerhard Schröder denkt auch Superminister Wolfgang Clement laut über einen Rücktritt vom Parteiamt nach. Steinbrück beschimpft Reformgegner. Unverhohlene Freude bei der CDU

BERLIN taz ■ Für die SPD gab es gestern erstmals seit langem positive Nachrichten. In der neuesten Forsa-Umfrage schnitten die Sozialdemokraten mit 26 Prozent um zwei Pünktchen besser ab als vor einer Woche.

SPD-Vordenker Erhard Eppler verteidigte den Reformkurs von Bundeskanzler Gerhard Schröder und nahm ihn gegen die innerparteiliche Kritik in Schutz. Im taz-Interview sagte Eppler, Schröder sei „neben Jacques Chirac der weltweit angesehenste Staatsmann der westlichen Welt“.

Die Freude über den ungewohnten Zuspruch wurde jedoch sofort wieder durch neue Rücktrittsgerüchte und neuen Streit in der SPD getrübt. Für Aufregung sorgte gestern Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement, der einen Bericht über seinen angeblich bevorstehenden Rücktritt als SPD-Parteivize nur halbherzig dementierte. „Das steht zurzeit für mich nicht zur Diskussion“, sagte Clement und räumte ein, dass der Bericht auf „internen Erörterungen“ beruhe, „die es gegeben hat“.

Clement gilt als radikalster Reformer in der Ministerriege und hatte bei seiner Wiederwahl auf dem letzten SPD-Parteitag mit 56,7 Prozent ein miserables Ergebnis eingefahren. Mit dem neuen Parteichef Franz Müntefering ist er in der Vergangenheit häufig uneins gewesen. So hält Clement nichts von der geplanten Ausbildungsplatzabgabe für Betriebe, die Müntefering einführen will. Aus dem SPD-Fraktionsvorstand hieß es, Clement wolle wohl den Druck auf die Reformgegner in der SPD erhöhen. In der Fraktionssitzung sei er bedrängt worden, „an Bord zu bleiben“. Dazu habe es „eindeutige Zustimmung“ gegeben.

Der nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Harald Schartau nannte seinen Landsmann Clement als Parteivize „unverzichtbar“ und forderte ihn öffentlich auf: „Wolfgang, bleib bei der Stange!“ Gleichzeitig erneuerte Schartau jedoch seine Forderung nach Korrekturen an den Reformen. Über die Erhöhung der Kassenbeiträge für Betriebsrentner sagte Schartau: „Ich halte das für eine hochexplosive Mischung, die da aufkommt.“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) warf den innerparteilichen Kritikern von Bundeskanzler Gerhard Schröder unterdessen „politische Inkontinenz“ vor. Es sei „unsäglich und illoyal“, was der niedersächsische SPD-Chef Wolfgang Jüttner und der saarländische Landtagswahl-Spitzenkandidat Heiko Maas verbreiten würden, sagte Steinbrück der Saarbrücker Zeitung. Jüttner und Maas hatten Änderungen am Regierungskurs verlangt.

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sagte über den Zustand der SPD: „Wir erleben hier einen Auflösungsprozess.“

LUKAS WALLRAFF

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