: Trieb nach Tricks
Vergewaltiger Sabasch zieht Geständnis zurück. Weißer Ring fordert mehr Opferschutz im Prozess
Der Sexualstraftäter Wilfried Sabasch versucht alle Tricks zu nutzen, um einer lebenslangen Einweisung in die Pyschiatrie zu entgehen. Der 49-jährige Angeklagte widerrief gestern zum erneuten Prozessauftakt sein bisheriges Geständnis und forderte Freispruch. Sein Anwalt legte daraufhin das Mandat nieder. Die abgesprochene Verteidigungs-Strategie sei durch diesen Widerruf zusammengebrochen, sagte er. Das Itzehoer Landgericht setzte dem Angeklagten daher kurzfristig einen anderen Pflichtverteidiger an die Seite.
Sabasch ist angeklagt, im Juli vorigen Jahres in Uetersen eine 21-jährige Frau mit einer Pistole bedroht, vergewaltigt und beraubt zu haben. Er hatte zuvor 30 Jahre wegen Sexualverbrechen in der geschlossenen Psychiatrie gelebt und war drei Monate vor der Tat entlassen worden.
Der Prozess gegen Sabasch war im ersten Anlauf im Februar geplatzt. Kurz vor dem Urteil hatte er einer Untersuchung für ein Schuldfähigkeits-Gutachten zugestimmt, was er bis dato strikt abgelehnt hatte. Bei Schuldfähigkeit würde er lediglich mit einer Haftstrafe zu rechnen haben, nicht aber mit lebenslanger Einweisung in die Psychiatrie.
Im Zusammenhang mit dem Justizspektakel fordert die Ofperorganisation Weißer Ring besseren Opferschutz im Gerichtssaal. „Wenn der Täter zum Mittelpunkt einer Sensation wird, darf das Opfer nicht am Rande verschwinden“, so der Landesbeauftragte Joachim Schöning. Opfer hätten genauso schutzwürdige Interessen vor Gericht wie ein Angeklagter. „Es gibt psychologische Hilfsmöglichkeiten, aber das Netzwerk ist noch viel zu löchrig“, kritisierte Schöning. Psychologen hätten oft erst nach Monaten einen Termin, und Therapeuten, die nicht bei den Kassen aufgelistet sind, müssten von den Betroffenen selbst bezahlt werden: „Ein Unding“, sagt Schöning.
Dabei müssten Opfer die Tat mehrfach durchleben. Am Tag des Verbrechens, bei Aussage vor der Polizei, bei der Verfahrens-vorbereitung und schließlich im Prozess durch die Aussage. Im Fall Sabasch müsste die vergewaltigte Frau nach dem Widerruf nun zum zweiten Mal ihrem Peiniger entgegentreten. Schöning: „Zur besonderen psychologischen Belastung kommt es dann, wenn von der Verteidigung die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Zweifel gezogen wird.“ KVA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen