: Baschir sieht US-Komplott
Indonesien stellt Abu Bakar Bashir vor Gericht, der als geistiger Führer der Bali-Attentäter gilt
von NICOLA GLASS
In Jakarta steht seit gestern der mutmaßliche Führer der radikal-islamistischen Jemaah Islamiyah (JI), der Geistliche Abu Bakar Bashir, wegen Hochverrats vor Gericht. Der 64-Jährige wird beschuldigt, den Sturz der Regierung geplant und ein Mordkomplott gegen Präsidentin Megawati geschmiedet zu haben, um einen islamischen Staat errichten zu können. Auch soll er für Bombenanschläge auf christliche Kirchen im Dezember 2000 verantwortlich sein, bei denen 19 Menschen ums Leben kamen.
Bashir, der kurz nach den Bali-Anschlägen im vergangenen Oktober verhaftet wurde, erklärte im überfüllten Gerichtsaal: „Ich akzeptiere diese Vorwürfe nicht, das sind Lügen Amerikas.“ Gelassen hatte er den Raum betreten, von „Gott ist groß“-Rufen hunderter Anhänger begleitet. Seiner Organisation JI wird vorgeworfen, Kontakte zum Terrornetzwerk al-Qaida zu unterhalten und hinter den Anschlägen auf Bali zu stecken.
Der Prozess ist zwiespältig: Einerseits gilt er als Test für Indonesiens marode Justiz, konsequent gegen mutmaßliche Terroristen vorzugehen. Andererseits ist das ohnehin schwierige Verfahren deswegen pikant, weil Bashir bislang nicht persönlich mit dem Bali-Anschlag in Verbindung gebracht werden konnte. Es fehlen schlicht Beweise gegen ihn. Seine Rolle sei bis heute definitiv nicht klar, weshalb die Polizei extrem vorsichtig mit ihm umgegangen sei, meint etwa Sidney Jones von der International Crisis Group gegenüber der taz. Möglicherweise wird diese Ambivalenz den Prozess überschatten und antiwestliche Ressentiments verschärfen – vor allem jetzt nach Ende des Irakkrieges. „Er ist bloß ein Sündenbock“, sagte Bashirs Verteidiger Mahendradata, der in Indonesien geläufige Verschwörungstheorien bemüht: „Die indonesische Regierung will nur den USA gefallen. Amerika will Muslime bestraft sehen, die seine Hegemonie herausfordern.“
Sollte Bashir, der bereits von 1978 bis 1983 unter Diktator Suharto im Gefängnis saß, diesmal zu lebenslanger Haft oder gar zum Tod verurteilt werden, könnte das radikalen Tendenzen neuen Auftrieb geben. Gestern gab die Polizei auch die Festnahme von weiteren 18 mutmaßlichen JI-Mitgliedern bekannt. Einer davon, Abu Rusdan, gilt als Bashirs Nachfolger und neuer regionaler Führer. Drei der Verhafteten werden mit den Bali-Anschlägen in Verbindung gebracht, bei denen 202 Menschen starben. Der Bashir-Prozess geht am 30. April weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen