piwik no script img

Opposition beharrt auf Chávez-Votum

Billigwarenverkauf und kostenloses Zähneziehen statt Großdemonstration in Caracas: In Venezuela unternimmt die Regierung einen ungewöhnlichen Versuch, den Sternmarsch hunderttausender Oppositioneller ins Leere laufen zu lassen

AUS BUENOS AIRES INGO MALCHER

Mit einem „Megamarkt“ ist die venezolanische Regierung am Samstag der „Megademonstration“ der Gegner von Staatspräsident Hugo Chávez entgegengetreten. Auf einem Markt in der Hauptstadt Caracas gab es statt Protest 260 Tonnen Lebensmittel zu Niedrigpreisen. Nach Angaben des staatlichen Radiosenders Radio Nacional de Venezuela kamen mehrere tausend Menschen zum „Megamarkt“, um sich kostengünstig einzudecken. Es standen auch Kinder-, Augen- und Zahnärzte bereit, um kostenlos Patienten zu behandeln. Staatliche Behörden arbeiteten Ausweisanträge in Rekordzeit ab.

Bei der Großdemonstration der Opposition gegen Präsident Chávez marschierten mehrere hunderttausend Menschen von sechs verschiedenen Ausgangspunkten in die Innenstadt. Sie unterstrichen ihre Forderung, per Referendum über eine Absetzung des Präsidenten entscheiden zu können. Die privaten Medien unterstützten die Mobilisierung: Tageszeitungen druckten nicht nur Anti-Chávez-Kommentare, sondern auch die Route der Demonstration ab. Der Fernsehsender Globovision half dabei, die Chávez-Gegner auf die Straße zu bringen. Mit Nachrichten auf Mobiltelefonen und E-Mails hatten diese auch individuell zu dem Sternmarsch mobilisiert.

Zu gewalttätigen Zwischenfällen kam es diesmal nicht. In den zurückliegenden Tagen waren mindestens acht Menschen bei Zusammenstößen ums Leben gekommen. Die Regierung hatte am Freitag das Tragen von Schusswaffen per Dekret für acht Tage verboten. Bei Anti-Chávez-Demonstrationen in der vorvergangenen Woche erschienen einige Regierungsgegner mit kugelsicherer Weste und Revolver am Gürtel. Bei zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen der Nationalgarde und Regierungsgegnern wurde aus den Demonstrationszügen auch mit scharfer Munition auf die Sicherheitskräfte geschossen. Das befristete Waffenverbot begründete die Regierung mit dem Schutz der Bevölkerung.

Derweil hat sich US-Präsident George W. Bush in den Konflikt in Venezuela eingeschaltet. In Crawford, Texas, sagte er Reportern, die USA wollten sich dafür einsetzen, dass die Auseinandersetzungen um ein Referendum zur Absetzung von Präsident Chávez nach demokratischen Regeln geführt werden. Chávez wirft Bush schon lange vor, seine Absetzung mit welchen Mitteln auch immer zu betreiben.

Am vergangenen Dienstag hatte die nationale Wahlbehörde Venezuelas (CNE) bekannt gegeben, die Entscheidung über ein Amtsenthebungsreferendum gegen Chávez zu vertagen. Die Opposition hatte nach eigenen Angaben 3,4 Millionen Unterschriften für ein Referendum bei der CNE abgeliefert. Doch die Behörde zog die Echtheit von rund einer Million Unterschriften in Zweifel – womit das erforderliche Quorum unterschritten war – und will diese bis Ende März prüfen. Für den 25. März hat der CNE eine Entscheidung über das Referendum angekündigt.

meinung und diskussion SEITE 20

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen