: Arbeitslosengeld II – ein Rechenchaos
Gemeinden fordern Ausgleich, wenn sie Langzeitarbeitslosen die Miete zahlen. Kosten waren falsch berechnet
BERLIN taz ■ Ursprünglich sollte es eine Vereinfachung werden. Doch jetzt droht mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II ab Januar kommenden Jahres das Chaos. Die Finanzierung ist noch ungeklärt: Die Städte und Gemeinden fordern jetzt von der Bundesregierung einen Teilausgleich für die Mietkosten der Langzeitarbeitslosen, die sie ab 2005 übernehmen müssen.
Ab nächstem Jahr werden Arbeitslosen- und Sozialhilfe für Erwerbsfähige zum so genannten Arbeitslosengeld II zusammengelegt. Die Kommunen sollen dabei künftig für die Unterkunftskosten dieser Langzeitarbeitslosen aufkommen, während die Bundesregierung für diese Gruppe den Regelsatz des so genannten Arbeitslosengeldes II zahlt. Für die Kommunen entpuppte sich das als gigantisches Minusgeschäft. Man rechne mit einer Belastung von 14,8 Milliarden Euro durch die Unterkunftskosten, sagte gestern Uwe Lübking, Sozialexperte beim Deutschen Städte und Gemeindebund (DStGB). Wenn man die Entlastungen durch die Übernahme der Regelsätze und weitere Kompensationen gegenrechne, käme man immer noch auf Mehrkosten der Kommunen von 2,4 Milliarden Euro, so Lübking.
Die Kommunen fordern jetzt einen Ausgleich vom Bund. Sie verweisen unter anderem darauf, dass dieser durch den Wegfall des Wohngeldes für Arbeitslosengeld-II-Empfänger und die verschärfte Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei diesen Empfängern Millionen von Euro spart.
Die rot-grüne Bundesregierung hatte ursprünglich auch versprochen, dass die Kommunen mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II um 2,5 Milliarden Euro entlastet werden. Diese Entlastung wolle man auch weiterhin erreichen, erklärte gestern die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert, der taz. Dazu brauche es aber eine „abgeglichene Datengrundlage“.
Das jetzt diskutierte Kostenproblem ist nämlich auch durch die übereilte Arbeit im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat entstanden, der im Dezember unter hohem Zeitdruck über das Arbeitslosengeld II entscheiden musste. Bei der Berechnung der Unterkunftskosten wurden dabei laut DStGB veraltete Tabellen verwandt. Zudem rechnen die Kommunen künftig mit mehr Empfängern von Arbeitslosengeld II als bisher geschätzt. „Da muss nachgebessert werden“, sagte Jens Metzger, Sprecher des Deutschen Städtetages, zur taz.
Die offene Finanzfrage ist nur eins der vielen Probleme beim Arbeitslosengeld II. Auch das so genannte Optionsmodell bereitet Kopfzerbrechen. Grundsätzlich sollen künftig die Arbeitsagenturen für die Bezieher von Arbeitslosengeld II zuständig sein. Die Kommunen sollen aber die „Option“ haben, die Betreuung dieser Langzeitarbeitslosen zu übernehmen und dafür direkt Geld vom Bund zu erhalten.
Welche eigene Gestaltungskraft die Kommunen dabei haben, ist rechtlich noch ungeklärt. Eine Verfassungsänderung, die den Kommunen beim Optionsmodell weit reichende Handlungsmöglichkeiten eingeräumt hätte, ist jedenfalls erst mal vom Tisch. BARBARA DRIBBUSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen