: In Arbeit gepusht
Bremen ist bei der Arbeitsmarktpolitik im Vergleich mit anderen westdeutschen Bundesländern besonders ideenreich – das sagt eine Studie aus Tübingen. Die tatsächliche Vermittlung spielte dabei keine Rolle. Dafür aber die Nähe zum Markt
Bremen taz ■ „Insgesamt besitzt Bremen eine schwache Arbeitsmarktperformance mit einem hohen Problemdruck.“ So weit die lapidare Feststellung, mit der eine Studie der Universität Tübingen die Ausgangslage des westdeutschen Schlusslichts in Sachen Arbeitslosigkeit beschreibt. Aber Not macht erfinderisch – das gilt offenbar auch hier. Die Studie bescheinigt Bremen eine „hohe arbeitsmarktpolitische Interventionstiefe und Innovationsbereitschaft“. Die Maßnahmen, mit denen das Land versucht, Arbeitslosen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu verhelfen, seien sehr differenziert und an individuellen Lösungen orientiert. Die taz sprach mit Ute Hörrmann, die die Studie im Auftrag der Europäischen Kommission mit erarbeitet hat.
Bremen ist spitze in Sachen Arbeitsmarktpolitik. Das verkündet – auf der Grundlage ihrer Studie – der hiesige Staatsrat für Arbeit. Wie kann man denn so etwas messen?Ute Hörrmann: Wir haben zwei Standbeine für das Gutachten. Das eine sind die Haushaltsdaten, das heißt wir haben den Haushaltsplan von 2001 ausgewertet und können also sagen: Das Land Bremen gab in diesem Jahr 46 Millionen Euro für die Arbeitsmarktpolitik aus. Das sind die hard facts. Das andere ist die Auswertung der Programmatik. In Bremen also in erster Linie das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm. Außerdem haben wir Experteninterviews mit der Behörde geführt.
Wo ist Bremen denn nun besonders gut?
Das Zusammenspiel der verschiedenen Politikfelder ist in Bremen breit und gut organisiert. Viele Maßnahmen werden hier im Verbund – etwa mit Wissenschaft und Wirtschaft – gestaltet. Dann gewähren die Bremer viele Lohnkostenzuschüsse. Das heißt, sie versuchen, Arbeitslose im ersten Arbeitsmarkt zu halten oder dort zu integrieren. Das Gleiche gilt für die Existenzförderung speziell für Arbeitslose, die auch nicht sehr viele Länder machen. Das Land sucht nach individuellen Lösungen – sowohl für krisengeschüttelte Betriebe, als auch für einzelne Arbeitslose. Aus unserer Sicht ist der Ansatz von Bremen deutlich innovativer als zum Beispiel der Hamburger.
Also alles bestens?Man muss natürlich sehen, dass Bremen ein Stadtstaat ist, insofern muss man das Ergebnis relativieren. Stadtstaaten sind auch zuständig für Sozialhilfeempfänger – das machen in einem Flächenstaat die Kommunen. Ein Kriterium für uns war es, ob die Länder auch für Zielgruppen etwas tun, die nicht zum Klientel der Landesarbeitsämter gehören, ob sie also auch „freiwillige“ arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ergreifen für andere Gruppen. Beim Kriterium ‚Zielgruppe‘ steht ein Stadtstaat also automatisch besser da, weil er sich um Sozialhilfeempfänger kümmert. Auch Hamburg ist im ranking also weiter oben, obwohl es eine eher klassisch-konservative Arbeitsmarktpolitik betreibt. Andere Kriterien sind zum Beispiel Marktnähe, Verknüpfung von Politikfeldern oder auch Prävention.
Welches Land hat denn am besten abgeschnitten?An der Spitze steht Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es eine große Nähe zum ersten Arbeitsmarkt . NRW ist außerdem in der Prävention noch besser als Bremen. Weit vorne ist NRW auch bei den modernen Steuerungsinstrumenten. Sie schließen also Verträge mit den Trägern der Maßnahmen, vereinbaren Budgets und Ziele und fragen nach, was davon funktioniert hat und was nicht. Da ist Bremen noch am Anfang – andere aber auch.Zur Aussagekraft Ihrer Studie: Sie haben sich ja nicht mit einzelnen Projekten beschäftigt, aber nehmen wir mal ein gerade in Bremen sehr umstrittenes Beschäftigungsprogramm für Kindergärten. Hier gibt es sicherlich eine große Marktnähe, weil die Arbeitslosen sofort in den Betrieb, hier: den Kindergarten, gehen. Das würde in Ihrer Wertung wahrscheinlich ein dickes Plus bekommen?Ich kann diese Maßnahme nicht bewerten, weil ich sie nicht kenne, aber eins ist klar: Die wissenschaftlichen Kriterien, die wir aufstellen sind das eine, ob man dann in der politischen Wertung automatisch auch zu einem Plus kommt, ist das andere. Das kann natürlich sehr strittig sein. Also: wir haben die allgemeinen arbeitsmarktpolitischen Linien erfasst, sowohl programmatisch als auch vom Mittelabfluss her. Und: Es ist eine Momentaufnahme des Jahres 2001.
Hat die tatsächliche Vermittlungsquote, also die Zahl derer, die tatsächlich auf dem ersten Arbeitsmarkt etwas geworden sind, eine Rolle gespielt bei der Datenerhebung?Vermittlung war insofern Thema, als wir bewertet haben, ob das Ziel der Bemühungen der erste Arbeitsmarkt ist. Die tatsächlichen Vermittlungsquoten fließen nicht in die Bewertung ein. Fragen: Elke Heyduck