: Der öffentliche Patient
112.000 Unterschriften: Das Volksbegehren „Gesundheit ist keine Ware“ gegen den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser ist perfekt. Jetzt muss der Rechts-Senat reagieren. Ein Kraftakt selbst für große Gewerkschaften
von KAI VON APPEN
Das erste Volksbegehren in Hamburg ist perfekt: Gestern um 11.48 Uhr übergaben die ver.di-Chefs Wolfang Rose und Ulrich Meinecke sowie DGB-Boss Erhard Pumm in der Rathausdiele an Landeswahlleiter Walter Wellinghausen fast 108.000 Unterschriften gegen den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), gesammelt beim Volksbegehren „Gesundheit ist keine Ware“. Zusammen mit den Eintragungen in den Orts- und Bezirksämtern kamen 111.854 Unterschriften für den Erhalt der sieben staatlichen Kliniken zusammen: „Das ist ein klares Votum, das der Senat nicht einfach wegwischen kann“, freute sich Rose.
Damit haben die Gewerkschaften das gesetzlich geforderte Minimum von rund 61.000 UnterstützerInnen um das Doppelte übertroffen – wenngleich nur mit einem Kraftakt. „Freitag haben wir noch geschwitzt, als wir bei 60.000 Eintragungen lagen“, gestand Meinecke ein. Doch gestern kam das Gros der Listen aus den Betrieben zurück. Vor allem die „Infrastruktur“ der Parteien SPD und GAL als Unterstützer und die „professionelle Begleitung“ von gewerkschaftsnahen Agenturen haben den Erfolg laut Rose im Endspurt noch möglich gemacht.
„Zwei Wochen ist für ein Volksbegehren eine zu kurze Zeit“, so das Resümee des Gewerkschaftschefs, gerade wenn es keine mediale Unterstützung gebe. „Damals beim Brötchenskandal waren die Gewerkschaften zwei Wochen täglich in der Zeitung, über das Volksbegehren wurde kaum berichtet.“
Wellinghausen hat nun die Bezirksämter angewiesen, die Unterschriften mit den Meldedateien abzugleichen und auf doppelte Eintragungen zu prüfen. Doch dass die Hälfte der Unterschriften ungültig sein könnte, glaubt auch der Staatsrat nicht: „Die Überprüfung wird wohl drei Wochen in Anspruch nehmen, dann werde ich dem Senat Bericht erstatten“, kündigte er an. „Und dann ist es wohl auch ein Thema, mit dem sich die Bürgerschaft zu befassen hat.“
Ver.di hat nun die Hoffnung, dass der Senat vom beabsichtigten Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung am LBK Abstand nimmt. „Finanzsenator Peiner sollte dieses eindrucksvolle Bürgervotum respektieren und mit Interessenten über eine Minderheitsbeteiligung verhandeln“, sagt Rose. Anderenfalls werde er „Patienten, Bürger und Arbeitnehmer weiter gegen sich aufbringen“, prophezeit Rose.
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