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Bebauung Brokhuchting„Bremer Senat hält sich nicht an die Absprachen“

Naturschützer reichen Klage ein

Noch zwitschern die Kiebitze im Brokhuchtinger Überschwemmungsgebiet – doch der Lebensraum der seltenen Vögel ist in Gefahr. Der Bremer Senat hat beschlossen, auf einer Fläche von insgesamt 35 Hektar an der Grenze zum niedersächsischen Umland 400 Wohneinheiten zu bauen. Die Bremer Naturschutzverbände GNUU (Gesamtverband Natur- und Umweltschutz Unterweser e.V.), der BUND und der NABU kämpfen seit Jahren dagegen – jetzt hat der GNUU Klage beim Bremer Verwaltungsgericht eingereicht. „Bei einer Bebauung handelt es sich um einen Verstoß gegen das europäische und das nationale Naturschutz- sowie gegen das bremische Wasserrecht“, erklärte gestern Sönke Hoffman vom NABU.

Die Pläne für Brokhuchting führten „in krasser Weise die Flächenpolitik der Großen Koalition vor, die auch nicht vor der Bebauung von Überschwemmungsgebieten zurückschreckt“, sagte Martin Rode vom BUND. Der GNUU wendet vier Argumente gegen eine Bebauung ein: Erstens werden erhebliche Zweifel an einer in diesem Fall vorgeschriebenen Prüfung der Alternativen und deren mögliche Auswirkungen auf den Naturhaushalt erhoben. „Hätte man sich ernsthaft um die Alternativen gekümmert, wäre es gar nicht möglich gewesen, an der Errichtung von Einfamilienhäusern im Überschwemmungsgebiet festzuhalten“, stellte Joachim Seitz vom NABU fest. Alternativen wären das Thyssen-Gelände oder Flächen im gesamten Bereich links der Weser gewesen. Zweitens müssten Überschwemmungsgebiete vor der Bebauung geschützt werden – wie im Bremer Wassergesetz geregelt.

Drittens gefährde die Bebauung des ausgeschriebenen Geländes europäisches Vogelschutzgebiet. Nach einer aus dem Jahre 1979 stammenden EU-Richtlinie hätten geeignete Flächen wie diese in ein EU-weites Schutzgebiet einbezogen werden sollen. Bis vor einem Jahr gab es in dieser Hinsicht auch keine Probleme: „Der Münsteraner Gutachter Karl-Friedrich Schreiber und sein Team, die das Gebiet schon vor 15 Jahren zum Vogelschutzgebiet erklärt hatten, wurden kurzerhand abgezogen und im letzten Jahr durch einen neuen Gutachter ersetzt, der die zu bebauende Fläche aus den Richtlinien herausnehmen ließ“, berichtet Joachim Seitz.

So dränge „sich immer mehr der Gedanke auf, dass sich der Bremer Senat und mit ihm Bürgermeister Henning Scherf über alle Hürden und Argumente hinwegzusetzen wissen, sobald es jemanden gibt, der Geld auszugeben bereit ist.“ Außerdem seien die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen, wie ein zu pflanzender Wald, absolut unzureichend.

Seitz widerspricht auch dem Argument des Senats, mit dem Baugebiet sollten Einwohner in Bremen gehalten werden: „Schon jetzt besagen Umfragen, dass die Bürger gerade wegen der vielen Baumaßnahmen Bremen verlassen und sich lieber woanders ansiedeln.“

Swantje Grigull

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