piwik no script img

Der Pleitegeier ist ein Berliner

Immer mehr Hauptstädter müssen zum Insolvenzrichter. 2003 zählte das Statistische Landesamt 5.400 Anträge. Pleiten nehmen vor allem bei Verbrauchern und Selbstständigen zu, Zahl der jährlichen Firmenpleiten bleibt konstant

Immer mehr Berliner und Berlinerinnen gehen zum Insolvenzrichter – ob als Firmenverantwortlicher, als Selbstständiger oder als Privatperson. Mehr als 5.400 Insolvenzanträge zählte das Statistische Landesamt im vergangenen Jahr – das ist gut ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. Die Forderungen der Gläubiger sanken dabei aber um fast drei Zehntel gegenüber dem Vorjahr auf rund 3 Milliarden Euro.

Allerdings liegt die Zunahme der Insolvenzen nur auf den ersten Blick an der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Unternehmen in der Stadt. Rund 60 Prozent der Insolvenzen, 3.200 Schuldner, entfielen nämlich auf Verbraucher und ehemals selbstständig Tätige.

Dies hat einen rechtlichen Hintergrund: die Neuregelung der Insolvenzordnung, nach der die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Befreiung der Restschuld gestundet werden können. Einen gewaltigen Unterschied gibt es bei den Schulden, die Verbraucher oder Selbstständige hinterlassen: Die ehemals Selbstständigen häuften durchschnittliche 636.000 Euro an Schulden an, die sie nicht mehr begleichen können, die „normalen“ Verbraucher begnügen sich mit 87.000 Euro.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen blieb hingegen in Berlin in den vergangenen Jahren relativ stabil. Gingen 2001 noch rund 2.100 Unternehmen in die Insolvenz, so waren es im vergangenen Jahr knapp 2.200. Bei den jungen Unternehmen, die weniger als acht Jahre am Markt sind, sank die Zahl der Pleiten sogar leicht. Bei Unternehmen, deren Gründung nicht länger als drei Jahre zurückliegt, wurde sogar ein deutlicher Rückgang verzeichnet: um zehn Prozent.

Von Insolvenzen besonders betroffen ist nach wie vor das gebeutelte Baugewerbe: Mehr als 500 Betriebe gehen hier jährlich in die Insolvenz – bei der stark sinkenden Baunachfrage ist das kein Wunder. Aber auch der Handel hat unter der sinkenden Kaufkraft der Berliner zu leiden: Machten 2002 noch gut 300 Händler ihren Laden in Berlin dicht, so waren es ein Jahr später schon fast 400. Einzig die großen Billigketten profitieren noch bei insgesamt sinkenden Einzelhandelsumsätzen.

Relativ stabil ist die Zahl der Pleiten im verarbeitenden und im Gastgewerbe. Den größten Schuldenberg hinterließ allerdings die Immobilien- und Dienstleistungsbranche: rund 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2003. Ein Jahr zuvor waren es noch mehr als 1,7 Milliarden Euro gewesen. RICHARD ROTHER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen