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Razzia bei rechten Netzanbietern

BKA und Staatsanwaltschaft Bonn durchsuchen bundesweit 360 Räume von Anbietern rechtsextremer Musik. Ermittlungen wegen Volksverhetzung eingeleitet

FRANKFURT taz ■ Bundeskriminalamt (BKA) und die Staatsanwaltschaft Bonn haben gestern bundesweit eine Razzia gegen Anbieter neonazistischer Musik im Internet durchgeführt. In allen Bundesländern außer Bremen seien mehr als 360 Wohn- und Geschäftsräume durchsucht worden, sagte der Staatsanwalt Fred Apostel der taz.

Die der Volksverhetzung verdächtigten 342 Personen hätten alle im Sommer 2003 Musiktitel mit „menschenverachtenden, hasserfüllten und zu Straftaten auffordernden Inhalten“ in der Internettauschbörse „KaZaA“ zum kostenlosen Herunterladen angeboten. Die Anbieter seien den Netzspezialisten des BKA bei einer „Schleppnetzfahndung“ im Internet aufgefallen.

Volksverhetzung sei kein Bagatelldelikt, konstatierte gestern der neue BKA-Präsident Jörg Ziercke. Die Skinhead-Musikgruppen transportierten politische Feindbilder und seien die „Wegbereiter für die Ausbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts“. Ganz gezielt würden Jugendliche über die Musik angesprochen und in den „Dunstkreis des Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit gezogen“, so Ziercke.

Als Beispiele nannte Staatsanwalt Apostel etwa die „Zillertaler Türkenjäger“ mit ihrem Titel „Am Tag als Ignaz Bubis starb“. Oder die Gruppe „Tonstörung“ mit ihrem Aufruf: „Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig. Lasst die Messer flutschen in den Judenleib.“ Auch Stücke der Gruppe „Landser“ waren dabei, deren Texter vor kurzem zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden war.

Die CDs dieser und anderer Skinheadbands könne man in Deutschland inzwischen „auf jedem Schulhof erhalten“, schrieb der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen in seinem Bericht für 2003. Die Musik, heißt es dort weiter, sei für Jugendliche oft die „Einstiegsdroge in das rechtsextremistische hasserfüllte Weltbild der Neonazis“. Das Internet sei jedoch „kein rechtsfreier Raum“, betonte der BKA-Chef gestern. Man setze auf die „präventive Wirkung“ solcher Razzien, mit denen „die Strafbarkeit der Weitergabe rechtsextremistischen Liedgutes verdeutlicht“ werde, so BKA-Präsident Ziercke.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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