piwik no script img

Saus und Braus im Armenhaus

Bremen hat die höchste Arbeitslosenquote der westdeutschen Bundesländer. Milliardenzuschüsse konnten Struktur nicht verbessern und Haushalt nicht sanieren

BREMEN taz ■ Weil zusammen mit der CDU die Wirtschaft besser zu wuppen sei, entschied sich 1995 die Mehrheit der Bremer SPD-Mitglieder für Rot-Schwarz – und gegen ein Zusammengehen mit den Grünen. Und so geschah es. Klar, dass SPD und CDU bis heute bei jeder Gelegenheit betonen, nur eine große Koalition könne die Wirtschaftsprobleme des Landes lösen.

Aber: Immer noch hält Bremen in punkto Arbeitslosigkeit die rote Laterne der westdeutschen Länder. Waren bei Koalitionsstart 1995 durchschnittlich etwa 14 Prozent der Bremer ohne Job, waren es im Jahresmittel 2002 rund 13,7. Zweistellig waren die Quoten schon, bevor die Vulkan-Werft 1995 Pleite ging. Aber erst die Werftenkrise traf Bremen ins Mark.

Trotz verzweifelter Versuche scheiterte der Senat nach der Werftenkrise dabei, das Land umzukrempeln. So ließ sich Bremen den Namen „Call Center City“ patentieren – heute glänzt die Branche mit Entlassungen. Umgerechnet 25 Millionen Euro investierte Bremen in ein Musical-Theater, um Touristen an die Weser zu locken – ein Flop. 150 Millionen Euro flossen gar in den Space Park. „Deutschlands erstes integriertes Erlebnis- und Shoppingcenter“ sollte Kaufen und eine Art Weltraumkirmes miteinander verbinden – und Besucher aus ganz Deutschland anziehen. Nur: Für die Einzelhandelsflächen fanden sich keine zugkräftigen Mieter. Die oppositionellen Grünen hauen den Koalitionären den „VEB Mondfahrt“ im Wahlkampf um die Ohren.

Garantierte die hohe Exportquote der Wirtschaft – vor allem der Häfen – lange einWachstum leicht oberhalb des Bundesdurchschnitts, dürfte es nun wegen des starken Euro schwierig für Bremen werden. Vielleicht verkündete Wirtschafssenator Josef Hattig (CDU) auch deshalb mitten in die größten Wahlkampfwehen den koalitionären Offenbarungseid: Das Ziel, im Jahr 2005 einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen, sei „nicht erreichbar“. Sein Parteikollege und Finanzsenator Hartmut Perschau verkündet bis heute das Gegenteil.

Wegen seiner „extremen Notlage“ erhält das Land von 1994 bis 2004 rund 8,5 MilliardenEuro vom Bund. Im selben Zeitraum stiegen jedoch die Schulden um 1,1 auf 10 Milliarden Euro an. Das Saarland, in ähnlicher „Notlage“, bekam ebenfalls Hilfen – und schaffte es immerhin, seinen Schuldenberg konstant zu halten. Inzwischen gilt als ausgemacht, dass Bremen auch nach dem Ende der Subventionen weitergepäppelt werden muss.

KAI SCHÖNEBERG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen