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Spekulationen um Klima-Machtwort

Beim Streit um den Handel mit Verschmutzungsrechten hat Wirtschaftsminister Clement (SPD) keine Eile. Und Bundeskanzler Schröder (SPD) will gleich das ganze System in Frage stellen, falls Russland das Kioto-Protokoll nicht ratifizieren sollte

VON MATTHIAS SPITTMANN

Bis Mittwoch müssen die Mitgliedstaaten der EU-Kommission mitteilen, welchen Firmen sie welche Verschmutzungsrechte für den Emissionshandel mit CO2 zugestehen wollen – und die Bundesrepublik wird den Zeitrahmen dafür zumindest voll ausschöpfen. Auch am Wochenende konnten sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nicht über den Nationalen Allokationsplan einigen. Angeblich will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) beide heute zu einem Schlichtungsgespräch laden. Eine Bestätigung dafür gab es jedoch nicht. Schröder stellt das Instrumentarium des Emissionshandels grundsätzlich in Frage, falls das Kioto-Abkommen nicht bindend werden sollte.

Während Clement der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte, man könne den Plan auch später vorlegen, zeigte sich Trittin optimistisch, dass das Kabinett ihn termingerecht und ohne Gegenstimmen verabschiedet. Damit der Emissionshandel zum 1. Januar starten kann, muss der Bundestag den Allokationsplan vor der Sommerpause beschließen. Die erste Lesung ist für Freitag geplant.

Bis dahin müssen sich die Ressortchefs geeinigt haben, wie viel des Klimakillers Kohlendioxid die deutsche Wirtschaft in den nächsten Jahren ausstoßen darf. Clement will die aktuellen Werte beibehalten, während Trittin sie verringern möchte. In beiden Fällen käme noch ein Bonus für den Atomausstieg hinzu. Hier ist umstritten, ob etwa die ausdrücklich nur aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgte Abschaltung des Atomkraftwerks Stade dessen Betreiber Eon eine Gutschrift bringen soll.

Auch die bereits zwischen Rot und Grün ausgehandelte Änderung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes ist am Wochenende erneut in die Diskussion gekommen, nicht zuletzt durch den Titel der aktuellen Spiegel-Ausgabe. Mehrere Koalitionspolitiker betonten aber, das Gesetz stelle einen fairen Kompromiss dar.

Während Schröder im aktuellen Streit seiner Ressortchefs über den Emissionshandel anscheinend auf eine Lösung zielt, stellte er am Freitag das System grundsätzlich in Frage. Man müsse sich fragen, was mit dem Emissionshandel geschieht, falls das Kioto-Protokoll nicht rechtsverbindlich werde. Wenn beispielsweise Russland den Vertrag nicht ratifiziere, stelle das eine Wettbewerbsverzerrung dar. Schröder stellte sich damit nicht nur gegen seinen Umweltminister, sondern auch gegen Frankreichs Präsident Jacques Chirac. Chirac hatte betont, Frankreich sei zunehmend beunruhigt über die zu erwartenden schnellen Klimaveränderungen.

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