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„Herr Bundeskanzler, und …?“

Der Medienkanzler ist zurück. Beim „Netzwerk Recherche“ inszeniert sich Gerhard Schröder mit gewohnt staatsmännischer Hemdsärmeligkeit und will als Antwort auf die Zeitungskrise die Presse-Sonderregelungen im Kartellrecht überprüfen

aus Hamburg STEFFEN GRIMBERG

„Ich weiche der Macht, ich weiche der Politik“, konnte Klaus Harpprecht noch sagen, und dann war er da: Gerhard Schröder beehrte das „netzwerk recherche“, während der einstige Redenschreiber für Willy Brandt und USA-Korrespondent des ZDF derweil im Kamerapulk des Medienkanzlers unterging .

Genau den gab Schröder beim Jahrestreffen der Journalistenvereinigung denn auch so souverän und semilocker wie selten in den vergangenen Monaten. Sogar Zeit hatte der Kanzler – schließlich demonstrierten anderswo in der Hansestadt mehrere tausend Gewerkschafter gegen seine Agenda 2010. Immer knapp über Hinterzimmerstandard („Ich sach mal …“) ging es um Macht, Medien – und Gerhard Schröder.

Schon „Medienkanzler“ sei ja eher „abträglich“ gemeint, dabei zeuge er doch vielmehr von einer „gewissen Offenheit gegenüber den Medien“, und darüber, so Schröder, „sollten die doch froh sein“. Vom Kanzler in der Krise war da nicht mehr viel zu spüren. Von den Medien, genauer den Zeitungen in der Krise war dann schon deutlich mehr die Rede. Die Entscheidung in Sachen Tagesspiegel und Berliner Zeitung, so Schröder, sei zwar allein die Sache des Wirtschaftsministers „als Behörde“. Doch wenn sie durch ist, will der Kanzler Medienpolitik machen: „Wie kriegen wir es hin, unsere einzigartig vielfältige Presselandschaft zu sichern?“ Es folgte pure Labsal für die geschundenen Verlegerseelen: Nicht nur „Gesprächsbereitschaft“ signalisierte Schröder, nein, das von den Verlegern als Grundübel bei der Konsolidierung des siechen Zeitungswesens ausgemachte Kartellrecht steht zur Disposition: „Wir müssen auch prüfen, ob spezielle Rechtsvorschriften, die wir zum Schutz einzelner Titel gemacht haben, noch der gegenwärtigen Situation entsprechen“, sagte der Kanzler und meinte die Presserechenklausel, eine besondere Kartellvorschriften für Zeitungen (siehe Kasten). Ein Krisengipfel, gar ein runder Tisch soll nun her, an dem neben den Verlegern auch JournalistInnen sitzen.

Dann ging es wieder um den Kanzler und die Medien („Ich habe keine dicke Haut in dem Sinne, dass ich mich über schlechte Berichte nicht ärgern würde“), um die Privatsphäre („Wenn’s verletzend wird, tut’s auch weh“), um Bild („Ich überflieg das. Das muss man ja auch nicht lesen“) und Schröders Lieblingszeitung („Soll ich mal sagen, was oben liegt? Financial Times Deutschland“). Und schließlich noch um die angeblich so veränderten medialen Gepflogenheiten in der Berliner Republik: Vom „Herdenjournalismus“ möchte der Kanzler zwar noch nicht sprechen („Das würde ich auch erst tun, wenn ich das Amt hinter mir hätte“), doch die extreme Schnelllebigkeit des Geschäfts habe auch ihr Gutes: Dank der gesunkenen Halbwertszeiten von Inhalten, so Schröder, könne er sich stets darauf verlassen: „Morgen kommen die schon auf was anderes.“ Und oft werde ihm heute statt einer echten Frage einfach ein Mikrofon ins Gesicht gehalten: „Herr Bundeskanzler, und …?“

„Talk vor Mitternacht spezial“, Gerhard Schröder im Gespräch mit Jürgen Leinemann und Michael Jürgs, 23 Uhr, N3

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