: „Merkel ist eine Wasserträgerin“
Heike-Melba Fendel, 47, ist Agentin und betreut Schauspieler. Was sagt sie zu den Darbietungen von Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Oskar Lafontaine? Und wie werden unsere Politiker im Wahlkampf 2009 Gerechtigkeit inszenieren, Frau Fendel?
Geboren: 12. Juli 1961 in Köln. Lebt in Köln und Berlin. Heimste als Schülerin eine Eins für ein Referat über Gottfried Kellers „Kleider machen Leute“ ein, obwohl sie die Novelle nicht gelesen hatte.
Ist: Geschäftsführerin der Barbarella Entertainment GmbH – einer Agentur für PR, Event sowie Schauspieler und Moderatoren. Zu Fendels „Mündeln“, wie sie ihre Klienten manchmal liebevoll nennt, gehören Esther Schweins, Joachim Król, Anna Thalbach und Dieter Moor. Nebenbei: Autorin unter anderem für die taz. Ihr großes Ding: Nach US-Vorbild veranstaltet sie die sogenannten „Readings“. Auf öffentlichen Veranstaltungen in Berliner, Kölner, Hamburger Kneipen, Bars oder alternativen Kulturorten werden bislang unverfilmte Drehbücher vorgestellt. Das Drehbuch zu Margarethe von Trottas Film „Rosenstraße“ wurde aufgrund eines solchen „Readings“ verfilmt. Mit Politik kam sie bei „Bunte Liste – Wehrt Euch“ in Köln in Berührung, später auch als Mitglied eines Beraterkreises des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück. Zudem ist sie seit 2002 Mitglied der SPD.
Zum taz-Gespräch traf sich Fendel mit den taz-Redakteuren Georg Löwisch und Peter Unfried im Arbeitszimmer ihrer Wohnung in Berlin-Friedrichshain.
Interview Georg Löwisch und Peter Unfried
taz: Frau Fendel, Sie sind Agentin: Welche Schauspielerin oder welchen Schauspieler würden Sie für die Rolle der „Gerechtigkeit“ empfehlen?
Heike-Melba Fendel: Ich halte das für eine unbesetzbare Rolle.
Niemand kann Gerechtigkeit darstellen?
Das habe ich nicht gesagt. Nehmen wir mal den Fernsehkrimi. Jemand, der einen Kommissar verkörpert, verkörpert zwar nicht Gerechtigkeit, aber seine Person beinhaltet zumindest, dass er oder sie einen Kodex hat, eine Methodik, die Gerechtigkeit herzustellen.
Wie müssen solche Gerechtigkeitssucher aussehen, damit sie bei den Zuschauern ankommen?
Die aktuellen Ermittlerfiguren sind alle selbst gebrochen, aber das hält sie nicht davon ab, der höheren Sache nachzugehen. Fast alle Charaktere sind heute mit einer sogenannten backstory ausgestattet, im ARD-„Tatort“ ist das jeden Sonntag überprüfbar. Die Gerechtigkeitssucher haben selber eine Menge eigener Probleme, seit Schimanski den gebrochenen Kommissar hierzulande quotenfähig gemacht hat.
Und vorher?
Erik Ode hatte als „Der Kommissar“ im ZDF in den 60er-Jahren nur in den ersten Folgen mal eine Frau. Später blieb von ihr nur ein Bild auf seinem Schreibtisch. Er saß da und dachte nach und seine Leute sagten „Chef“ zu ihm. Nichts stand zwischen ihm und der Mission, Gerechtigkeit herzustellen.
Warum ist das heute anders?
Niemand möchte heutzutage nur das sein, was sein Beruf ist. Jeder möchte sich individualisieren mit Ticks, Vorlieben und passenden Autos. Mit seiner Geschichte. Deshalb werden auch Ermittlerfiguren so aufgebaut.
Wie ist das mit Al Gore, der ist doch perfekt in der Rolle des Gerechtigkeitssuchers, oder?
Er hat den großen Vorteil, dass er schon für den Klimaschutz einstand, als das Thema noch nicht so weit oben auf der Popularitätsliste war. Vor allem wirkt bei ihm das Prinzip des zurückgekehrten Helden. Er hat als Gefallener ein lupenreines Comeback hingelegt. Da haben Sie wieder diese backstory, die eine Figur braucht.
Auch in der Showbranche Politik?
Bei Al Gore ist das Interessante tatsächlich die Vermischung beider Systeme: Die gescheiterte politische Persönlichkeit findet ihr Comeback im Showgeschäft, in dem sie am Ende einen Oscar bekommt. Man kann aber sagen, dass diese Oscar-Verleihung weltweit viel bewirkt hat, weil sie ein politisches Thema mit Showbusiness-Mitteln – jetzt mal dieser blöde Ausdruck – sexy gemacht hat. Seither rufen bei uns ständig Redaktionen an und wollen Esther Schweins mal in der Natur fotografieren. Und Dieter Moor, der zufällig schon 10 Jahre vorher Biobauer war, ist heute der Talkshow-Mann der Stunde.
Funktioniert das bei Gerechtigkeit auch?
Die Tür für die neue grüne Bewegung ist weit offen. Deswegen ist es so attraktiv für Prominente, sich für die Umwelt einzusetzen. Wo es komplizierter wird, sinkt die Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen. Nur dort, wo Gerechtigkeit scheinbar leicht herstellbar ist, machen viele mit. Deswegen haben wir – abseits der Gewerkschaftslogik – zwei erfolgreiche Mutationen von Gerechtigkeit. Das eine ist Charity.
Und das Zweite?
Das ist der Begriff „fair“. Ich erlebe gerade bei jungen Leuten, dass die sagen: „Das ist nicht fair.“ Das ist eine weichgespülte Variante von Gerechtigkeit. Wenn ich etwas ungerecht finde, ist das ja immer mit einer Forderung verbunden, dass ein falscher Zustand korrigiert werden muss. „Das ist nicht fair“ ist eine Mischung aus schicksalhaft und „kann man nichts machen“. Da wird Gerechtigkeit nicht mehr erwartet.
Werden wir konkret: Wie ist Angela Merkel in der Rolle der Gerechtigkeitssucherin?
Sie kommt noch am ehesten dem Ermittler alter Schule nahe, der nicht seine Eigenschaften, sondern sein Anliegen in den Vordergrund stellt. Sie arbeitet ohne Persönlichkeitsschnickschnack. Wir reden jetzt über Wahrnehmung, nicht über konkrete Ergebnisse. Eigentlich verkörpert sie den Part einer Wasserträgerin.
Einer was?
Einer Nebenfigur. Das sind in der Regel sehr gute Schauspieler, die dafür sorgen, dass gelegentlich auch minderwertige Hauptdarsteller in den Szenen hervorragend agieren können. Sie bereiten die Emotion vor, und der Hauptdarsteller agiert sie dann aus. Bei Merkel verschmelzen die beiden Prinzipien: Da steht eine vorn, die man von ihrer Anmutung her eigentlich da vorne nicht vermuten würde.
Ist eine Hauptdarstellerin mit Wasserträgertugenden nicht sehr grau?
Es ist eine hochintelligente Strategie. Weil die Idee des verordneten storytellings dazu führt, dass verschiedene Rollen an- und ausgezogen werden wie Kleidungsstücke von H&M, die auf raschen Austausch konzipiert werden. Merkel könnte ja zuvörderst auf dem Frauen-Ticket fahren, als Repräsentantin einer Mehrheit in diesem Land. Aber es gibt kein „Frauen, wählt eine Frau!“. Sie erzählt also keine Geschichten, die sich aus ihrer Identität zentrifugieren ließe, sie erzählt überhaupt keine Geschichten. Und vielleicht ist das eine sehr, sehr optimale Form. Weil Gerechtigkeit ein Prinzip ist. Und keine Folklore. Keine Story.
Was müssen andere Politiker im Gerechtigkeitswahlkampf 2009 sein oder spielen, um gekauft zu werden?
Im Moment, in der Finanzkrise, funktioniert der handelnde, der arbeitende Politiker gut. Was vorgeführt wird, ist die kaufmännische Variante der Flutbilder mit den Gummistiefeln. Das hilft dem Finanzminister Steinbrück. Das ist ein Typ, den keiner richtig mochte, weil er so was Oberlehrerhaftes hat: Intelligenz mit etwas Arroganz und gar keine Wärme. Jetzt ist auf einmal genau solch ein Oberlehrer gefragt, der rechnen kann und mit kühlem Kopf bis zum Kleinkrämerischen die finanziellen Vorgänge koordiniert. Was man bei Steinbrück aber darüber hinaus merkt: Der hat da totalen Bock drauf.
Auf die Weltwirtschaftskrise?
Nee, der hat Bock drauf, endlich arbeiten zu können und nicht Folklore betreiben zu müssen. Er kann sich einfach um die Finanzen kümmern. Schnell, harsch, ruppig und mit diesem supergut sortierten Kopf. So mag er das. Und weil die Leute das merken und jetzt auch wollen, ist er die ideale Besetzung.
Er hat so viel Glück wie Schröder mit dem Hochwasser?
Nein, das ist anders. Ich habe nie verstanden, wieso Bilder von Männern in Gummistiefeln einen Wahlimpuls auslösen. Das ist supersimple Bilderproduktion aus der Grabbelkiste des Volksverstehers. Zur Katastrophe in Gummistiefeln und unter Tage zu den Kumpels den Helm auf. Wir wissen alle, dass Herr Schröder keine Sandsäcke schleppt oder Herr Müntefering nicht die Kohle mit abbaut. Reine Pose. Aber bei Steinbrück gibt es derzeit diese Kongruenz zwischen Bild und Alltag.
Wären Ihre Kunden Politiker – würden Sie Gummistiefel verbieten?
Ich würde ihnen die dazu gehörenden Berater ausreden. Das Einfordern und Bespielen einer Simulation von Volkstümlichkeit ist absurd. Warum muss in Bayern der Maßkrug gehalten werden, auch wenn nur Apfelschorle drin ist?
Warum ist Horst Seehofer heute Ministerpräsident? Herzkranker Intensivpatient, Vater zwischen zwei Familien, eigentlich Mr. Backstory?
Seehofer hat diese Geschichten nicht initiativ fabriziert. Das eine war ein Schicksalsschlag, das andere eine Intrige. Die Geschichte mit der Geliebten wurde doch gegen ihn verbreitet. Das Interessante ist, dass Seehofer trotzdem überlebt hat, weil sich in Beckenbauers Heimat niemand über ein Malheurchen aufregen kann.
Die Geschichte mit der Herzerkrankung hat er genutzt, um sich als Gesundheitspolitiker mit existenzieller Alltagserfahrung zu vermarkten.
Das ist genau das, was ich meine: Kongruenz von Persönlichkeit und Ressort.
Es sagt nichts über die Qualität seiner Politik aus.
Nein, aber er hat damit vermittelt, dass er bei den Patienten ist, weil er das Ausgeliefertsein an ein Gesundheitssystem selbst erlebt hat. Außerdem bei allem Geschichtenerzählen und allem Nichterzählen: Man muss den Politikern auch mal glauben, dass sie etwas wollen, weil sie bestimmte biografische Erfahrungen haben.
So ganz verstehen wir nicht, wann Geschichten schlecht sind.
Es wird unglaubwürdig, wenn man die Absicht spürt – und man spürt sie immer. Wenn man weiß, da hat jemand gesagt: „Geh doch da mal hin, zieh aber nicht die gelben, sondern die grünen Gummistiefel an, weil das farblich beruhigt.“ Oder auch wenn Wahlkampfmanager sich überlegen: Wie soll der Klient jetzt auftreten, was nehmen wir aus seiner Biografie, wie inszenieren wir das, mit welchen Gruppen soll er sich verbinden? Welche Bilder, wie viel „kleine Leute“, wie viel Glamour? Immer so circa drei Monate vor Wahlen kriege ich Anrufe vom sogenannten Prominentenbeauftragten der SPD, weil sie wieder Prominente wollen für ihre Kampagne.
Und wer macht mit?
Das geht von den unverwüstlichen Scorpions bis Roland Kaiser. Meine Klientin Esther Schweins erzeugt sogar sozialdemokratische Ekstase. Was haben all diese Leute gemeinsam? Was verbindet sie mit der Partei und dem Programm? Wenig bis nichts, das weiß auch jeder. Heute bei der SPD, morgen Eröffnung des neuen Flagshipstores von Hugo Boss. Das führt dazu, dass gerade im Wahlkampf dieser eklatante Fehler der Substanzaushöhlung gemacht wird.
Was tun?
Die Frage, wie man Gerechtigkeit inszeniert, lenkt ja vollkommen von der eigentlich interessanten Frage ab: Wie kann man komplexen Themen so gerecht werden, dass diese Folklore nicht ins Zentrum rückt? Das ist kompliziert, und sich dem zu widmen, braucht eine andere Form als die des Plakativen.
Welche?
Es gab vor Jahren mal ein spannendes Gespräch zwischen Wolfgang Thierse und der Schauspielerin Cosma Shiva Hagen. Sie sagte zu Thierse: „Erklären Sie mir doch mal in einem Satz, warum es Hunger auf der Welt gibt.“ Er hat acht oder neun Sätze gebraucht. Da sagte sie: „Das ist doch viel zu kompliziert, das versteht doch kein Mensch.“ Und Thierse antwortete: „Billiger können Sie’s bei mir nicht haben.“ Diesen Satz werde ich nicht vergessen.
Sie raten dazu, die Gummistiefel wegzulassen?
Ja. In einer Welt der Wirkungsfetischisten geht der Weg immer falsch rum. An der Spitze, wo sich die Politik personalisiert, verschließt sie sich der Komplexität. Die beste Verkaufe wäre es, die Verkaufe mal auszusetzen und zu versuchen, mit Thierse zu sagen: „Billiger ist es bei mir nicht zu haben.“
Trotzdem ist es doch für einen Politiker wichtig, eine schöne Rolle spielen zu können.
Hier liegt ein Missverständnis vor. Fernsehschauspieler sind nicht umsonst zu 95 Prozent unintellektuelle, wenn nicht sogar antiintellektuelle Menschen, weil es das Wesen ihres Berufes ist, Texte von jemand anderem nach einer Inszenierung von wieder jemand anderem durch ihren Körper laufen zu lassen. Bei diesem Durchlauf kommt natürlich eine Menge hinzu, aber das ist erst mal strukturell der Beruf. Ein Politiker hat das diametral entgegengesetzte Berufsbild: selbstbestimmt, gestaltend, all diese Dinge.
Das Berufsbild ist aber nicht immer die Wirklichkeit in der Politik.
Die zwei Berufe berühren sich nur dort, wo Politiker sich übereignen an raunende Onkels, die ihnen sagen: „Finde den Schriftsteller gut, trag solche Krawatten, geh mit dem was trinken, sag das. Und deine Brille geht gar nicht.“ Aber das Berufsbild sieht eigentlich keine nicht gewählten Regisseure vor.
Bestimmte Mechanismen sind dennoch in Politik und Showbusiness gleich: Die Kraft des öffentlichen Auftritts soll überzeugen.
Ein ganz großer Irrtum. Die Basis des Showgeschäfts ist Ungerechtigkeit. Warum wird jemand ein Star? Nicht weil er gut aussieht, nicht weil er gut singen kann, nicht weil er gut spielen kann. Kann alles sein, muss aber nicht sein. Warum wird Tokio Hotel aus Magdeburg berühmt und nicht Nagasaki Pension aus Chemnitz? Das ist die irrationalste aller Branchen, weil sie auf Verlangen beruht, dem irrationalsten aller Gefühle.
Wie wird Steinmeier ein Star?
Schwierig. Muss er? Er hat viel Wärme, die sich eigentümlicherweise in der medialen Reproduktion verliert. Im Idealfall sollte jeder ein biografieimmanentes Thema mitbringen. Aber Frank-Walter Steinmeier bringt keine eingebaute Geschichte mit. Oder?
Kurnaz.
Eigentlich müsste Kurnaz Steinmeiers Herzoperation sein.
Steinmeiers Flüsterer haben die Geschichte daraus gemacht, dass er sich durch diesen Skandal kämpfen musste und dadurch ein wirklicher Mann wurde.
„In dem Moment, als ich da vorm Untersuchungsausschuss rumeiern musste, bin ich zum Mann geworden“ – also Entschuldigung, das entbehrt jeder Logik. Ein wirklich guter Spin-Doctor hätte einen Reifungsprozess so erzählt, dass eine schwierige und möglicherweise falsche Entscheidung ihn „zum Mann“ gemacht hat. Eigentlich dürfte das kein Spin-Doctor tun, sondern es müsste aus Steinmeier selbst kommen. Grundsätzlich gilt: Warum das Geheimnis der Ehrlichkeit meiden?
Das wäre dann was für Beckmann?
Ehrlichkeit ist bei diesen und ähnlichen Formaten nicht platzierbar. Nur Betroffenheit. Reinholds Lieblingsfrage ist nicht umsonst: „Wie haben Sie sich da gefühlt?“ Und nicht etwa: „Kann Erkenntnis schuldinduziert sein?“
Was erwarten Sie von Steinmeiers Wahlkampf?
Ich fürchte, dass wir eine zerteilte Steinmeier-Inszenierung sehen werden, deren Teile alle ganz unterschiedliche Akquiseansprüche bedienen sollen. Natürlich wird man mit dem Pfund des Außenministers wuchern, aber da grätscht ihm Merkel permanent rein, damit er da nicht sein Alleinstellungsmerkmal kriegt. Also werden die raunenden Onkels anfangen, ihn zu irgendwelchen Terminen fahren und viele, viele Fotos produzieren. Bestimmt auch eines mit Klaus Meine von den Scorpions. Nur bei Sebastian Krumbiegel, dem unvermeidlichen Sänger der Prinzen, wird er zurückschrecken. Vielleicht auch bei Roland Kaiser. Ich bin gespannt. Wenn wir nächstes Jahr die Bilder sehen, dann mailen wir uns die gegenseitig zu.
Mochten Sie Kurt Beck, als er beim Abschied die Spin-Doktoren öffentlich als Spinner beschimpft hat?
Nee, er hat zwar im Grunde das gesagt, was ich die ganze Zeit beklage. Aber er hat es aus der defensiven Position desjenigen getan, der daran gescheitert ist. Das war wie ein Angeklagter, der sich selbst verteidigt und sagt: „Ich brauche keinen Anwalt, weil ich Recht habe.“ Durch die Verletzung und die Bildhaftigkeit des Gescheiterten nimmt er der These ihre Wahrheit. Er sah dabei aus, wie Männer aussehen, wenn sie gerade von einer Frau verlassen wurden.
Wie sehen die da aus?
Da gibt’s so einen bestimmten Blick, so was Bodenloses im Gesicht.
Was ist Oskar Lafontaines Stärke? Der unbedingte Wille?
Nein, da wendet sich das wirklich ins Negative, weil der so ein Comeback-Künstler ist, der seine Greatest Hits noch bei der letzten Möbelhaus-Eröffnung zum Besten gibt. Natürlich gibt’s immer noch Leute, die „Paloma Blanca“ bei Polster Trösser hören wollen. Aber den halte ich für abgewirtschaftet, obwohl er natürlich wie kaum ein Zweiter auf diesem Gerechtigkeits-Wiederherstellungs-Ticket fährt.
Ein Kommissar mit backstory.
Aber man hat ihm die Marke abgenommen. Er ist jetzt Privatdetektiv.
Eigentlich müssten Sie ihn mögen. Er ist selbstbestimmt und gestaltend.
Ja, aber da gilt das Gleiche wie bei Beck: Auch er vertritt sich selbst vor Gericht.
Er hat Erfolg.
Na ja, die Linke nach vorne zu schieben und sie von mir aus 8 Prozent stark zu machen und in den Landesparlamenten zu verankern, das kann jemand wie Lafontaine nicht als Erfolg empfinden. Er ist ein Kanzler. Nach seiner Selbstwahrnehmung. Und jetzt ist er nur ein Stänkerer.
Ein politisch wichtiger Stänkerer.
Aber nur über Destruktion. Darin liegt seine Macht. Er kann stören, Rache üben, sich selbst ein Forum geben, aber es glaubt doch kein Mensch ernsthaft, dass er dem „kleinen“ Mann Gerechtigkeit verschaffen will.
Das ist Ihre politische Meinung.
Das ist meine Kaffeesatz-Psychologie.
Welchen Politiker würden Sie als Klienten beraten wollen?
Das wünsche ich mir gar nicht. Ich würde lieber herausbekommen, warum sich die Politik-PR so wenig ändert, obwohl sie so falsch läuft. Als meine Tochter fünf war, hatte ich immer Rückenschmerzen, weil ich sie ständig getragen habe. Als ich das meinem Arzt erzählte, hat er gefragt: „Warum tragen Sie ein fünfjähriges Kind?“ Ich bin nach Hause gegangen und hab meiner Tochter gesagt: Ich trage dich jetzt nicht mehr. Sie war sofort einverstanden.
Und was ist die Moral von Ihrer Geschichte?
Das werfe ich Beratern vor: Sie tragen viel zu große Kinder, die besser alleine laufen könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen