: Christoph Schurian über Pieter Van Dulp
Der Wasser-Kommissar auf Pump
In einer Pfütze endete es. Ausgerechnet. Pieter Van Dulp war aus dem VIP-Container getorkelt, hatte das Gleichgewicht verloren und saß schimpfend in der Wasserlache. In wildestem Neoniederdeutsch zeterte Van Dulp über das Kanalprojekt am Niederrhein. Der Eröffnung des Maas-Rhein-Kanals zwischen Rheinberg und Venlo (siehe Bericht oben) wird er heute im Smoking beiwohnen, vermutlich etwas ruhiger, wahrscheinlich sogar regungslos.
In der Nacht vor der offiziellen Eröffnung des Kanals hörte sich das so an: „Schau doch alstublieft auf het verfickte Graat.“ Van Dulp zeigte auf das Kanalufer, das schwappende Wasser. „Weißt du überhaupt, warum das Ding gebaut wurde?“
Dann sprudelte aus ihm eine Geschichte vom Wasser, vom Regionalkonzernverband (RG), dem unterirdischen Pumpensystem, den eigentlichen Machtverhältnissen in der Region West. Dass er, Pieter Van Dulp, der niederländische Kantor zum West-Wasserkommissar wurde, verdanke er Schicksal und Quote.
Die Deutschen, sagt Van Dulp, seien nicht dran gewesen. Ein Holländer musste es werden. Nach dem Kirchgang habe dann „ein Fetter“ zu ihm gesagt, dass er in der Lostrommel sei. Und dann, Monate später, habe ein Fahrzeug vor der Tür gestanden. Habe ihn gleich mitgenommen, noch auf dem Rücksitz musste er seine Dienstverpflichtung über 20 Jahre unterschreiben.
Allein das wäre keine Zeile wert – seit Jahrzehnten werden Politiker in der Region West im Losverfahren bestimmt. Und wer eben Pech hat, muss die Knochen hinhalten und liefert den Medien dazu schöne Geschichten. Doch für Van Dulp lief es überaus schlecht.
Die Zentrale setzte ihn auf Sparkurs. Der mächtige Bauch, der Smoking, alles muss billig sein. „Und warum?“, schrie Van Dulp an diesem lauen Abend am Kanal. „Weil sie tun und lassen können, was sie wollen, diese verfluchten RGies!“
Sein Herrschaftswissen habe den RG nach oben gespült nach den Flutkatastrophen in der ersten Dekade des dritten Jahrtausends, meint Pieter Van Dulp. Nachdem das Hochwasser des unbeherrschbaren Rheins immer wieder viele Todesopfer gefordert hatte, hatten Wasserwirtschafter aus dem ehemaligen Ruhrgebiet (der heutige Regionalkonzernverband RG) einen Vorschlag gemacht: Alle Rheinanwohner müssten zusammenarbeiten, die Grenzen müssten fallen. Letztlich sei doch jede Toilettenspülung, jedes Händewaschen ein Teil der Wasserhaltung, des „kommunizierenden Systems“, hieß es damals.
Deshalb wurde das Wasserkommissariat ins Leben gerufen, ein technokratisches System geschaffen – eine neue politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Einheit rund ums Wasser mit einem herrschenden Zentralregionalverband RG. „Das ist Herrschaftswissen, die haben an der Ruhr schon seit 150 Jahren gepumpt, sonst gäbe es die doch überhaupt nicht mehr!“, brüllte Pieter Van Dulp und wurde jäh gestoppt.
Zwei Männer im weißen Overall hoben den Wasserkommissar aus der Pfütze und verscheuchten den Reporter: „Sie haben nichts gehört und gesehen“, raunten sie und schleiften den weinenden Pieter Van Dulp zurück in seinen Container: „Er braucht jetzt Schlaf.“ Und morgen wartet schon der Smoking.
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