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Frank Überall über die Kölner Müllpumpen-Affäre

Polizei durchsucht Sterck-Büros

Die Polizei hat Ermittlungen gegen die Betreiberfirma des Waste-Pumping-Systems (WPS) aufgenommen. Mit dem Einbau der praktischen Saugdüsen zur schnellen Abfallentsorgung war vor zehn Jahren begonnen worden. Rund 60 Prozent der Kölner Haushalte sind inzwischen mit dem innovativen Entsorgungssystem ausgerüstet. Bei der Auftragsvergabe für den Einbau der Düsen soll es jedoch zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein.

Laut Simon Düwel, dem Sprecher der Ermittlungsgruppe bei der Kölner Polizei, wurden gestern die gesamten Büros der WPS in Nordrhein-Westfalen durchsucht. „Wir sind auf eine anonyme Information hin tätig geworden“, sagte Düwel. Die Quelle, die sich per E-Mail an die Polizei gewendet habe, müsse ein Insider sein. Sie habe so viel Insiderwissen über die WPS, dass die Polizei den Hinweis ernst genommen habe.

Bereits zu Wochenbeginn hatten die Informationstechniker der Polizei einen Investigativwurm in das Netzwerk des Müllentsorgers eingeschleust. Die Beamten fahnden derzeit intensiv nach WPS-Geschäftsführer Ralph Sterck, der sich offenbar abgesetzt hat. „Wir müssen annehmen, dass Sterck einen Tipp über die bevorstehenden Ermittlungen aus dem Rathaus bekommen hat“, kritisierte Düwel gestern bei der Pressekonferenz der Ermittlungsgruppe.

„Es war wie in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts“, sagte der Sprecher der eingesetzten Ermittlungsgruppe kopfschüttelnd: „Der illegale Klüngel scheint auch mehr als dreißig Jahre nach Einführung erster Antikorruptionsvorschriften im Kölner Gemeinwesen nicht aus der Welt zu schaffen zu sein.“ Damals war die gesamte Kölner Parteienlandschaft ins Wanken geraten, nachdem umfangreiche Verstrickungen von Politikern der großen Parteien in einen Bestechungssumpf aufgedeckt wurden.

Das WPS wurde für die Betreiberfirma zur Erfolgsgeschichte. Geschäftsführer Ralph Sterck (57) hatte seine politischen Erfahrungen bei der früheren Partei FDP ausgenutzt, um ein Abfallentsorgungs-Imperium aufzubauen. Nach dem Zusammenbruch des RWE-Konzerns und der Regionalisierung der Müllentsorgung hatte er mit einigen Exliberalen die „Waste-Flitzer“ erfunden. In die neu gegründete Partei Freier Bürger (PFB) war Sterck zwar eingetreten, hatte sich aber in keine offizielle Funktion mehr wählen lassen.

Stattdessen knüpfte er ein Klüngelnetzwerk, das sich sehen lassen kann. Sein größter Coup war der Beschluss des Kölner Kommunalparlaments zur Einführung des WPS-Systems.

Stadtweit sollte auf die dreckigen Tonnen des vergangenen Jahrhunderts verzichtet werden, was dann auch von einem Tag auf den anderen passierte. Die unterirdischen Kanäle wurden durch ein Multirohrnetz ersetzt, durch das Reststoffe per Luftdruck entsorgt werden. Spezielle Sensoren trennen an verschiedenen Schalt- und Kreuzungsstellen die Stoffe, die dann zu 98,7 Prozent regeneriert werden. Der Rest wird verpflichtend für den Straßenbau eingesetzt.

Der kränkelnden Baubranche hatte das Kölner Modellsystem einen wirtschaftlichen Boom beschert. Die Annahme, dass bei öffentlichen Großprojekten die Zahlung von bis zu 3 Prozent an Schmiergeldern wahrscheinlich ist, hatte nach der UN-Richtlinie von 2019 zu konsequenten Überprüfungen geführt. Sterck hatte sich darauf verlassen, dass die erst nach Baubeginn verabschiedete Vorschrift auf sein Megaprojekt nicht mehr angewendet würde. Immerhin hatte er die Zahlungen von Privatunternehmen auf sein eigenes Konto und solche der PFB als „Beratungsspenden“ deklariert und sogar offiziell im Internet veröffentlicht.

Der Kölner Oberbürgermeister Jochen Ott (Die Sozialisten) kritisierte Sterck als „verlogenen Geschäftemacher“. Jörg Frank (74, Grüne), forderte, den weiteren Ausbau des WPS vorerst zu stoppen, während Jörg Detjen (75, Sozialisten) eine Rekommunalisierung des Rohrnetzes anregte.

Denn die nächste Ausbaustufe des WPS steht kurzfristig an. Für die 40 Prozent der Haushalte, die noch nicht an das Saugsystem angeschlossen sind, gibt es bisher zentrale Stopfstellen. Vor allem die Einrichtung gegenüber dem Kölner Dom ist vielen Bürgern dabei ein Dorn im Auge. Um diese städtebaulichen Schandflecke bald zu beseitigen, will das Kommunalparlament einen endgültigen Anschlusszwang anordnen. Wie seinerzeit bei der Umstellung von Kohleöfen auf moderne Heizsysteme soll auch beim Müll die Duldung veralteter Komponenten schnellstmöglich auslaufen. Die betroffenen KölnerInnen wehren sich aber heftig dagegen, weil sie die Art der Abfallentsorgung noch immer nicht für optimal halten.

Denn die Trennungssensoren lassen sich trotz modernster Technik noch immer nicht ausschließlich aus Solarenergie speisen. Die ständige Aufrechterhaltung des Luftdrucks in den geschlossenen Rohrsystemen verbraucht zusätzliche Energie. Obwohl Köln für sein WPS-Modell weltweit gelobt wurde, scheint die Ökobilanz noch ausbaufähig. „Solange das nicht geklärt ist, lasse ich mir doch nicht die Wände aufreißen“, meinte ein Sprecher der Konservativen.

Sollte das System trotz aller Bedenken ausgebaut werden, will der Regionalpräsident West in Ruhr einen Sonderbeauftragten nach Köln entsenden. Der soll dann anstelle von Sterck die Geschäfte bei den „Waste-Flitzern“ führen, um einen korruptionsfreien Ablauf zu garantieren. „Privatisierung ist eben kein Allheilmittel“, sagte Oberbürgermeister Ott gegenüber der taz. „Das predigen wir schon seit Jahrzehnten“, fügte Frank (Grüne) süffisant hinzu.

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