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der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR

… wird immer wieder darauf reduziert, auf das Sexuelle. Das „homo“ kommt noch ganz normal daher, das Sexuelle aber blinkt und leuchtet in maximalen Lettern, signalrot oft, Hauptsache unübersehbar. Damit es auch niemand vergisst: Vorsicht! Dieser Mensch, das ist ein sexuelles, hypersexuelles, allseits sexuelles Wesen und sonst gar nichts.

Da mag man sich auf den Kopf stellen und von allen anderen Seiten präsentieren, selbst die Mimikry mit Hochzeitsfrack und Brautschleier und Doppelhaushälfte ist vergebens, der starre Blick auf den Unterleib bleibt. Nur eine Chance gibt es, dieser sturen Hetero-Haltung zu entkommen: Lebenslanges Schweigen und ewiges Verstecken der existenziellen Dinge wie Liebe, Sexualität, Freundschaft, Familie, Heimat.

Da wurde unlängst in Berlin der politische Publizist Kurt Hiller geehrt, von der Stadt und von den Schwulen, als „schwuler Bürgerrechtler“. Hiller war Autor der Weltbühne, sein großes Thema war das Strafgesetz gegen Homosexualität: „§ 175: die Schmach des Jahrhunderts!“. Einem Leserbriefschreiber der Berliner Zeitung gefiel das nicht, Hiller „darauf“ zu reduzieren, das zeuge von einem „arg eingeschränkten Wahrnehmungsvermögen, das offenbar ‚immer nur das eine‘ zu sehen vermag.“

Gut beobachtet, möchte man meinen, und stellt doch nur das Dilemma auf den Kopf. Der brave Zeitungsleser will Hiller nicht als schwulen Aktivisten sehen, und seien dessen Verdienste auch noch so groß. Den Tunnelblick macht er bei den anderen aus und praktiziert ihn doch selbst am besten. Dabei tut der schreibende Leser so, als sei der Hinweis auf die Homosexualität eine Beleidigung.

Noch ärger bemühte kürzlich das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung diese Kapriole, auch wenn es einen hier nicht verwundert. Diese Zeitung hat sich, trotz ihres liberalen Images, nie sonderlich hervorgetan in Sachen Homo-Berichterstattung, und wenn doch, dann nur, um ganz schnell ins Konservative hinüber zu rutschen.

Da durfte jüngst ein Rezensent die Wiederauflage von autobiografischen Texten des Orientalisten und Exil-Schriftstellers Wolfgang Cordan loben, der Verlag wurde gleichzeitig dafür aber abgewatscht. Das sei doch nur ein „Nischenverlag“, „der sich vor allem für die sexuelle Präferenz eines Autors interessiert“. Und es komme, so der Schreiber, noch schlimmer: Wird durch die Publikationsadresse der honorige Schriftsteller nicht unter einen bösen Verdacht gestellt, da „es im Text allenfalls vage Anhaltspunkte für eine gelebte Homosexualität gibt“?

Da werden in einem schwulen Kleinverlag die Texte eines Mannes veröffentlicht, der vielleicht gar nicht schwul war. Oder nur halb. Eventuell ein bisschen. Auf jeden Fall eine gebeutelte Existenz: „Von der Vergessenheit des Exils ins Hermetische einer Subkultur – leider landete Cordan in der publizistischen Abseitsfalle.“ Auch hier findet die Abriegelung zuvorderst im Hirn des Schreibers statt. Und: Hat man in der Süddeutschen Zeitung immer noch nicht zur Kenntnis genommen, dass Bücher aus schwulen Verlagen oder von schwulen Autoren nicht nur in Darkrooms gelesen und in Schmuddelecken verkauft werden?

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