: Walsum ist wie ein AKW ohne Betonhülle
Der Nabu reicht Klageschrift gegen die Zeche Walsum vorm Verwaltungsgericht ein. Schäden für die Landschaft, Tierwelt und Menschen in Flussnähe seien nicht „kompensierbar“. Die DSK soll den Pütt sofort schließen
DÜSSELDORF taz ■ Für seine Gegner setzt der Bergbau die Regeln des Rechtsstaates außer Kraft: „Die Betriebsgenehmigung für die Zeche Walsum ist wie die Zulassung eines Atomkraftwerks ohne Außenkuppel“ – der Rechtsanwalt Christian Tünnessen-Harmes führte gestern vor der Landespresse einige drastische Vergleiche an: Auf 100 Seiten hat der Anwalt des Naturschutzbundes (NABU) eine Begründung verfasst, warum die Naturschützer gegen die im Sommer 2002 erfolgte Abbaugenehmigung für die Zeche Walsum am Niederrhein eine Verbandsklage eingereicht haben.
„Von dem Kohleabbau am Rhein sind prioritäre Lebensarten betroffen, für die die Europäische Kommission ein striktes Schutzregiment vorsieht“, sagte der Duisburger Anwalt. Josef Tumbrinck, der Landesvorsitzende des NABU, sorgt sich um die Lebensräume. Arg betroffen von dem flussnahen Steinkohleabbau seien die Schutzreservate Rheinaue Walsum und die Mommbachniederung: „Durch Bergsenkung und einem nachfolgenden Grundwasseranstieg werden Brutplätze des Flussregenpfeifers sowie der Weichholzwald der Rheinaue unwiederbringlich zerstört.“ Die Betriebsgenehmigung des Pütts sei in den Auswirkungen auf die Fauna-Flora-Habitat-Gebiete „geradezu dilettantisch“ ausgearbeitet, und habe auch sonst zahlreiche Mängel. Auch deshalb habe man sich vor anderthalb Jahren dazu entschlossen, formell Klage einzureichen. Jetzt liefere man die Begründung: „Nach der Klage des BUND gegen Garzweiler II ist das die zweite bedeutende Verbandsklage, die anhängig ist“, sagte Tumbrick.
Klaus Friedrichs von der Bürgerinitiative Bergbaubetroffener am Niederrhein (BiB) ist froh über die Klage: „Die Klagen der Stadt Voerde und der acht Einzelkläger sind ja gar nicht durchgedrungen“, sagte Friedrichs, vor dem Verwaltungsgericht werde nur so weit verhandelt, wie der Kläger persönlich betroffen sei. Bei der Verbandsklage sei das nun hoffentlich anders. Der Rahmenbetriebsplan Walsum habe alle „wichtigen Sachen“ nach hinten gestellt, sagte Friedrichs. So werden erst jetzt, anderthalb Jahre nach der Genehmigung, die Auswirkungen auf das Trinkwasser in der Mommbachniederung erörtert – er und seine Mitstreiter würden am kommenden Montag bereits den 15. Tag an der Erörterung in der Dinslakener Stadthalle teilnehmen: „Mit dem Abbau wird sich die Belastung des Trinkwassers durch Rheinuferfiltrat verzehnfachen“. Die Bürgerinitiative werde den Widerstand erst aufgeben, wenn die Schließung der Zeche vollzogen ist, so Friedrichs.
Die sofortige Stilllegung von Walsum fordert auch Tumbrinck: „Wir erwarten von der DSK, dass sie am 18. Mai einen Schlussstrich unter Walsum zieht“, sagte der Nabu-Chef, seine Organisation werde nicht eher ruhen, bis der Abbau gestoppt wird. Auch bei dem in Aussicht gestellten Auslaufen der Zeche Walsum – NRW-Energieminister Axel Horstmann (SPD) brachte jüngst die Jahreszahl 2009 ins Gespräch – würde der Nabu an seine Klage festhalten, „auch weil wir glauben gute Aussichten zu haben, den Rechtsstreit zu gewinnen“. Über Tumbrincks Gesicht huschte ein Schmunzeln.
Bis die Klage aber vor dem Verwaltungsgericht verhandelt wird, kann noch einige Zeit verstreichen. Er hoffe, dass das Verfahren noch in diesem Jahr auf „die Terminrolle“ kommt, so Anwalt Tünnessen-Harmes, dann könne Anfang 2005 verhandelt werden. Parallel habe man sich auch schon bei der Europäischen Kommission beschwert – nicht nur Düsseldorf, auch Brüssel befasst sich jetzt mit Walsum.
CHRISTOPH SCHURIAN
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