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Multimilliardär mit Pennälerallüren

Russlands erfolgreichster Unternehmer Michail Chodorkowski hat einen Termin beim Staatsanwalt – als Zeuge

Seine Freunde nennen ihn den Großen, Michail den Großen. Mit 39 Jahren ist Michail Chodorkowski Russlands erfolgreichster Unternehmer. Forbes veranschlagte 2003 sein Vermögen auf 8 Milliarden Dollar, was weltweit Platz 26 der Superreichen bedeutet. Den Ölkonzern Jukos will er zur führenden Gesellschaft auf dem globalen Energiemarkt ausbauen. Den ersten Schritt dazu leistete Chodorkowski im April, als er die Fusion von Jukos mit Russlands fünftgrößtem Ölproduzenten Sibneft bis zum Jahresende in Aussicht stellte. Mit einem geschätzten Marktwert von 35 Milliarden Dollar ist Jukos bereits jetzt Russlands größter Konzern.

Letzte Woche geriet der Unternehmer ins Visier der Macht. Ein enger Geschäftspartner wurde verhaftet und Chodorkowski zwei Tage später zur Anhörung vor den Generalstaatsanwalt zitiert – als Zeuge. Kein Zweifel, dass der Warnschuss ein halbes Jahr vor den Dumawahlen dem Ölmagnaten gilt.

Die Sache, die der Staatsanwalt gegen den Geschäftspartner ausgegraben hat, ist über neun Jahre alt und wurde vor dem Obersten Handelsgericht 2002 abschließend behandelt. Als er das Gericht verließ, machte der breitschultrige Ölbaron und Karatekämpfer den Eindruck eines verstörten Pennälers. Kleinlaut und eingeschüchtert.

Natürlich hat Chodorkowski nicht weniger Dreck am Stecken als andere Oligarchen und Finanzmogule. So war die Privatisierung von Jukos Ende 1995 ein abgekartetes Spiel. Der Ölkonzern hatte damals schon einen Schätzwert von mehreren Milliarden Dollar. Chodorkowski zahlte für 45 Prozent der Aktien nur 9 Millionen Dollar mehr als das Mindestgebot von 150 Millionen Dollar. Ein weiteres Drittel der Konzernaktien erhielt er später zu ähnlich günstigen Bedingungen. Dafür finanzierte er den Präsidentschaftswahlkampf Boris Jelzins im Jahr 1996 großzügig.

In der Perestroika nutzte Chodorkowski seine Rolle als Funktionär des staatlichen Jugendverbandes Komsomol. Mit guten Beziehungen zu Funktionären, Fabrikchefs oder dem Geheimdienst ließen sich riesige Vermögen anhäufen. Chodorkowski nutzte jede Chance: vom Devisenhandel über westlichen Computerimport bis zu gepanschtem Cognac machte er aus allem Geld und sich einen Namen als harter Geschäftsmann.

Auch in der Politik mischt der studierte Chemiker mit. So finanzierte Chodorkowski, der als Jude unterm Kommunismus keine Chance hatte, in der von ihm favorisierten Rüstungsindustrie zu arbeiten, seit der Ära Putins die Opposition zum Kreml. Die liberalen Parteien Jabloko und Union der Rechtskräfte förderte er ebenso wie die Kommunistische Partei, um ein Gegengewicht zur Monopolisierung des Kremls zu schaffen.

Nun hat er die „Moral“ entdeckt und propagiert als Leitmotive der Firmenpolitik „Ehrlichkeit, Offenheit und Verantwortlichkeit“. Meinte er das ernst, wäre die Praxis engster Verquickung von Politik, Geschäft, Kreml und Kapital bedroht.

In den Fußstapfen von Multimilliardär George Soros gründete Chodorkowski 2002 die Stiftung „Offenes Russland“ und leistete sich eine Alma Mater. Mit der Russischen Humanistischen Universität in Moskau erstand er einen Gegenpol zur linientreuen Staatswissenschaft. Dafür gab es jetzt vom Kreml erstmals die gelbe Karte. KLAUS-HELGE DONATH

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