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Suche nach dem Stück Heimat

Die Ausstellung „MigrationsGeschichte(n)“ präsentiert das typisch fremde Berlin – und erklärt, warum Siemens Broschüren an türkische und griechische Arbeitsämter schickte

Wie überzeugt man einen Menschen, sein Heimatland zu verlassen, um in einem fremden Land mit fremder Sprache und fremder Kultur Arbeit anzunehmen? Man zeigt ihm, dass dort „ein Stück Heimat“ auf ihn wartet. Siemens gab in den 60er-Jahren seinen griechischen und türkischen Mitarbeitern Postkarten für die Freunde in der Heimat mit, um sie nach Deutschland zu locken. Auf der einen war eine Moschee zu sehen (siehe Foto), auf der anderen eine griechisch-orthodoxe Kirche. Wir brauchen, war die Überlegung, in der Fremde das Bekannte, um heimisch zu werden.

Im Museum Europäischer Kulturen beginnt heute die Ausstellung „MigrationsGeschichte(n)“. Im Rahmen des EU-Projektes „Migration, work and identity“ arbeiten sieben Museen aus sechs europäischen Ländern zusammen. Mit Arbeit als zentralem Element thematisieren die Ausstellungen Migration und Identität.

In Berlin wird ein chronologischer Bogen gespannt, vom italienischen Einwanderer Bacigalupo, der 1873 in Berlin die gleichnamige Drehorgelfabrik gründete, bis zur AWO-Initiative „Buntes Kreuzberg“ 2003. Um acht zentrale Objekte gruppiert sich die Ausstellung, stellvertretend für das (Arbeits)Leben der Migranten in Berlin und Deutschland.

Der Leierkasten steht für die Adaption fremder Kultur, die Siemens-Broschüren für türkische und griechische Arbeitsämter kennzeichnen die Zeit des bundesdeutschen Wirtschaftswunders mit fremder Hilfe. Der Dönerspieß als Berliner Erfindung symbolisiert den erzwungenen Schritt in die Selbstständigkeit in den Achtzigerjahren, die Geschäftsidee Kokosfaser-Blumenerde aus Sri Lanka steht für Trans-Migration, das Pendeln zwischen zwei Heimatländern.

Kuratorin Dr. Elisabeth Tietmeyer möchte mit der Ausstellung „Denkanstöße geben“ und den Blick schärfen für die Details, die im Alltag übersehen werden. Das sind Dinge wie der Altar aus dem vietnamesischen Imbiss „Hanoi“. In der Fotoserie dazu sind auch christliche Imbiss-Altäre abgebildet, die vielleicht mehr überraschen als der buddhistische. Die Detailbetrachtung wird auch beim Kopftuch versucht. Verschiedene Materialien, Farben und Bindearten werden gezeigt. Der aktuellen Debatte aber geht man aus dem Weg. Es soll nicht um Meinungen oder religiöse Konflikte gehen, sondern um das Kopftuch als Ausdrucksmittel, als Mode.

„Mit der Ausstellung sollen keine Unterschiede festgeschrieben werden“, sagt Tietmeyer. „Migranten sollen Museen auch als Ort ihrer Erinnerung wahrnehmen können.“ Die große Plastiktasche steht schließlich für Migration in allen ihren Erscheinungsformen, auch als „erzwungene Migration“ wie Flucht und Vertreibung, die Tietmeyer in die Ausstellung einbezieht.

Die theoretische Auseinandersetzung mit Migration, eine Definition von Heimat, der Widerspruch zwischen wachsenden lokalen Bindungen in einer globalisierten Welt, wird in der Ausstellung nicht geleistet. Das will sie auch nicht. In begleitenden Sonderveranstaltungen finden Vorträge und Diskussionen über Migration statt, die den Blick auf das Andere in Berlin ergänzen und erweitern.

NICOLAI KWASNIEWSKI

Die Ausstellung „MigrationsGeschichte(n)“ läuft bis zum 26. 10. im Museum Europäischer Kulturen, Im Winkel 6/8, Di.–Fr. 10–18 Uhr, Sa./So. 11–18 Uhr

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