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Witten/Herdecke teilverkirchlicht

Die Privatuni ist gerettet. Nordrhein-Westfalen zahlt wieder, die Studiengebühren müssen dafür steigen. Auch die Katholische Kirche beteiligt sich über eine Firma

KÖLN taz ■ Fast acht Stunden hatten sie im nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium verhandelt, dann stand am frühen Freitagmorgen fest: Die Universität Witten/Herdecke ist gerettet, der neue Finanzierungsplan steht. Damit endet eine wochenlange Zitterpartie um die Zukunft von Deutschlands ältester Privathochschule. „Das war sicherlich ein Rettungsakt in letzter Sekunde“, sagte Landeswissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) in Düsseldorf.

Die Hochschulleitung einigte sich mit Pinkwart unter anderem darauf, die Verwaltungskosten zu senken und die Studiengebühren drastisch zu erhöhen. Zudem will die finanziell schwer angeschlagene Hochschule alte Investoren zurück und neue dazugewinnen. Die Hochschule werde künftig „nicht mehr von der Hand in den Mund leben, sondern sich eine dauerhaft tragfähige Finanzierungsgrundlage schaffen“, sagte Pinkwart. Kurz vor Weihnachten hatte sein Ministerium überraschend die Auszahlung der für 2008 zugesagten Landesmittel in Höhe von 4,5 Millionen Euro verweigert und außerdem 3 Millionen Euro für 2007 zurückgefordert. Damit drohte der Universität die Insolvenz. Als Begründung gab Pinkwart an, die Uni habe keine ordnungsgemäße Geschäftsführung nachweisen können. Außerdem fehle es an einem seriösen Wirtschaftsplan.

Nun will das Land die Förderung wieder aufnehmen und für die kommenden beiden Jahre insgesamt 13,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die im Sommer vergangenen Jahres als Hauptsponsor ausgestiegene Düsseldorfer Unternehmensberatung Droege International ist ebenfalls wieder an Bord.

Zum Kreis der rettenden Investoren gehört neben einer Initiative ehemaliger Hochschulabsolventen auch eine Institution, die zuvor niemand auf der Rechnung hatte: die katholische Kirche. So wird die von der Diözese Rottenburg-Stuttgart getragene Unternehmensberatung Martinus Consult künftig der anthroposophisch inspirierten Einrichtung finanziell unter die Arme greifen. Hintergrund für das ungewöhnliche Engagement ist die Kooperation mehrerer katholischer Krankenhäuser mit der Universität Witten/Herdecke.

Die neuen und alten Gesellschafter wollen den Finanzbedarf der Universität mit Kapitaleinlagen von rund 16 Millionen Euro und einer Bürgschaft von 10 Millionen abdecken.

Für die Studierenden wird das vereinbarte „Zukunftskonzept“ teuer. Der Anteil, den sie am etwa 30 Millionen schweren Etat zu tragen haben, soll von derzeit 7 auf 20 Prozent steigen. Das soll durch eine Verdoppelung der Studierendenzahl auf 2.400 in den nächsten Jahren und über deutlich höhere Gebühren erreicht werden. Schon derzeit kostet ein Semester je nach Fachrichtung zwischen 2.400 Euro für Philosophie und 4.500 Euro für Zahnmedizin. PASCAL BEUCKER

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