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Ein Provisorium auf Dauer

Der Stellplatz für durchreisende Roma und Sinti in Dreilinden bleibt ein Provisorium. Der Senat will die Gelder für den Ausbau streichen. Grüne erinnern den Senat an die „historische Verantwortung“

von JAN ROSENKRANZ

Der provisorische Stellplatz für durchreisende Sinti und Roma in der Nähe des ehemaligen Grenzübergangs Dreilinden wird vorerst nicht ausgebaut. Der Berliner Senat will die ursprünglich im Etatentwurf 2004 vorgesehenen Mittel von 1,5 Millionen Euro streichen. Das bestätigte gestern die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport.

Urspünglich sollten auf dem seit sieben Jahren provisorisch betriebenen Stellplatz feste Sanitäreinrichtungen, ein Schulraum, ein Aufenthaltsraum und ein Büro entstehen. Auf dem 33.000 Quadratmeter großen Gelände, das von Mai bis Oktober geöffnet ist, gibt es derzeit lediglich Sanitär-Container und zwei weitere für das Büro und die improvisierte Schule. „Wir hätten natürlich auch gerne einen ausgebauten Stellplatz gehabt, aber wir müssen eine bestimmte Sparsumme erbringen“, sagt Rita Hermanns, die Sprecherin des Bildungssenators. Die Sparziele des Finanzsenators hätten keine andere Möglichkeit zugelassen. Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen. Man könne aber keine weiteren Häuser verkaufen oder die Kita-Gebühren weiter erhöhen.

Auch der Caritasverband Berlin, der den Platz im Auftrag des Landes betreibt, bedauert die Entscheidung des Senats. Der Stellplatz werde stark genutzt, trotz 16 Euro Standgebühr pro Tag und Gespann. Im Mai und Juni hätten 66 Wohnwagen hier gestanden, dabei sei der Platz lediglich für 44 ausgerichtet. Heute sollen auch die Bewohner des Stellplatzes informiert werden. Peter Wagener vom Caritasverband rechnet damit, dass sie „sauer und enttäuscht“ reagieren werden. Schließlich habe es bereits im vergangenen Jahr einen Zahl-Streik gegeben. „Erst durch den Hinweis auf den baldigen Ausbau haben sie sich beschwichtigen lassen.“

Die Vorsitzende des Berliner Landesverbands der Sinti und Roma, Petra Rosenberg, wollte gestern noch keine Stellungnahme abgeben. In der Vergangenheit hatte auch sie den baldigen Ausbau des Platzes angemahnt – als zweitbeste Lösung. Ihre Forderung war „die Öffnung aller Campingplätze für unsere Minderheit.“ Dort seien viele Sinti und Roma immer wieder mit der Bemerkung „leider ausgebucht“ abgewiesen worden.

Auch darum wurde vor sieben Jahren dieser Stellplatz auf dem ehemaligen Lkw-Stauraum eingerichtet. Wegen der vielen „wild“ parkenden Wohnwagen war es in der Innenstadt zuvor vereinzelt zu Spannungen gekommen. Vor allem die Bezirke hatten danach auf eine zentrale Lösung gedrängt – als Provisorium. Weil der Bezirk Steglitz-Zehlendorf die Ausbauplanungen nicht rasch genug vorantrieb, hat der Senat das Planungsverfahren 2000 an sich gezogen. Der Ausbau des Platzes ist seit Jahren beschlossene Sache. Doch der Berliner Sparkurs könnte nun das Aus bedeuten.

Der Caritasverband hofft, dass der Beschluss in den abschließenden Haushaltsberatungen noch einmal überdacht wird. „Dann müssten die Abgeordneten aber Vorschläge machen, an welcher Stelle stattdessen gespart werden soll“, so Hermanns.

Auch der Fraktionschef der Berliner Grünen, Volker Ratzmann, findet den Entschluss des Senats „bedauerlich“. Trotz aller sinnvollen Sparanstrengungen dürfe man nicht vergessen, dass wir in „historischer Verantwortung“ stehen.

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